So höre ich heute noch meine Tante flüstern, halb ängstlich, halb lachend. 1981. In Ostberlin. Als wir Westler einen Besuch bei ihr machten und mein Vater mit dröhnender Stimme gescherzt hatte: "Wenn Ihr hier drüben mal das Feuer erfunden habt..."
Das Küchenfenster stand auf nach dem Essen. Und jeder an den anderen Fenstern des Mietshauses in Adlershof hätte es hören können. Und melden. Die Angst war eingepflanzt. Vor Nachbarn, Kollegen, Freunden. Und dem, was dann kommen könnte. In Stasizellen, in Gefängnissen.
40 Jahre zuvor hatte meine Oma Butterbrote geschmiert. Früh morgens um 4, bevor sie aus dem Haus musste. Die Brote verpackte sie in Zeitungspapier und dann, draußen, legte sie das Bündel noch in der Dunkelheit im Vorübergehen auf einen Zaunpfosten. Vor der großen, alten Villa. Die nur noch bewohnt war von einem alten, spindeldürren Mann in einem langen, viel zu großen Mantel. Mit einem gelben Stern am Ärmel.
Meine Oma, meinte Tante, sie hatten Angst. Zu Recht. Die Gefahr, entdeckt zu werden, vielleicht auch einfach verleumdet zu werden, war greifbar. Alle wussten davon, mit den engsten Verwandten tuschelte man auch darüber. Niemand konnte man wirklich trauen. Also tat man es auch nicht.
Wir haben 2013. Heute darf ein Helge Schneider Hitler spielen, scheint die jubelnde Menge am Brandenburger Tor 1989 in weiter Ferne zu sein. Freiheit ist für uns selbstverständlich, auch eine ehemalige DDR-Bürgerin als Kanzlerin. Wir haben Freiheit. Können denken, schreiben sagen, was wir wollen.
Wir teilen heute die Fotos unserer Kinder mit der ganzen Welt. Wir kommentieren Zeitungsartikel, starten Online-Petitionen im Netz, wenn wir zu den Engagierten gehören. Haben eine persönliche Webseite, mit der wir bei der Jobsuche für uns werben. Mit Lebenslauf und Urlaubsfotos. Wir haben nichts zu verbergen, wenn wir nichts unrechtes tun.
Und dann, plötzlich, überrascht unsere moderne, überschaubare Freiheit ein ehemaliger US-Geheimdienst-Dienstleister-Mitarbeiter. Alles, was wir mit anderen besprechen, fotografieren, als Meinung äußern, hassen und verabscheuen ist gespeichert. Für immer.
Meine Oma ist tot, meine Tante eine alte, fast blinde Frau ohne Internet und Computer. Da werde ich keine Meinung mehr bekommen zu dem, was wir da erfahren haben.
Wir hören und lesen die eine oder andere Story. Von Journalisten, die bei der Einreise in die USA zu Dingen befragt werden, die sie nur in Emails mit anderen besprochen haben. Von einem Mann im Hessischen, der Stunden, nachdem er auf Facebook ein paar Freunde eingeladen hat, ein geheimnisumwittertes Militärgebäude der Amerikaner von außen zu besichtigen, Besuch von der Polizei erhält.
Wir sehen eine Kanzlerin - die ehemalige DDR-Bürgerin - feist und aufrecht in einem Sessel mitten auf dem früheren Todesstreifen sitzen. Sie erklärt uns, dass sie sicher sei, noch nie abgehört worden zu sein. Dass alles nach Recht und Gesetz geschehe. Den Rest könne man freundschaftlich mit den Rus... Verzeihung! Mit den Amerikanern besprechen.
Diese Frau wird freiwillig und mit ehrlich ausgezählten Stimmen von nahezu der Hälfte der freien Deutschen in 2 Monaten wiedergewählt werden. Wir posten weiter unsere Kinderfotos und erstellen irgendwelche nutzlosen Online-Petitionen. Mit "Wir sind das Volk" wären wir inzwischen überfordert. Vielleicht hätten wir auch gar keine Zeit mehr dafür, weil wir abends mit unseren Onlinefreunden chatten.
Angst und Unfreiheit kennen wir kaum noch aus eigener Erfahrung. Wir wissen nicht, was wir da eigentlich gerade schützen müssten. Es wird schon alles gutgehen. Und zu den paar Spinnern, die da versuchen, Horrorszenarien aufzubauen, sagen wir einfach genervt: "Nicht so laut!"
Das Küchenfenster stand auf nach dem Essen. Und jeder an den anderen Fenstern des Mietshauses in Adlershof hätte es hören können. Und melden. Die Angst war eingepflanzt. Vor Nachbarn, Kollegen, Freunden. Und dem, was dann kommen könnte. In Stasizellen, in Gefängnissen.
40 Jahre zuvor hatte meine Oma Butterbrote geschmiert. Früh morgens um 4, bevor sie aus dem Haus musste. Die Brote verpackte sie in Zeitungspapier und dann, draußen, legte sie das Bündel noch in der Dunkelheit im Vorübergehen auf einen Zaunpfosten. Vor der großen, alten Villa. Die nur noch bewohnt war von einem alten, spindeldürren Mann in einem langen, viel zu großen Mantel. Mit einem gelben Stern am Ärmel.
Meine Oma, meinte Tante, sie hatten Angst. Zu Recht. Die Gefahr, entdeckt zu werden, vielleicht auch einfach verleumdet zu werden, war greifbar. Alle wussten davon, mit den engsten Verwandten tuschelte man auch darüber. Niemand konnte man wirklich trauen. Also tat man es auch nicht.
Wir haben 2013. Heute darf ein Helge Schneider Hitler spielen, scheint die jubelnde Menge am Brandenburger Tor 1989 in weiter Ferne zu sein. Freiheit ist für uns selbstverständlich, auch eine ehemalige DDR-Bürgerin als Kanzlerin. Wir haben Freiheit. Können denken, schreiben sagen, was wir wollen.
Wir teilen heute die Fotos unserer Kinder mit der ganzen Welt. Wir kommentieren Zeitungsartikel, starten Online-Petitionen im Netz, wenn wir zu den Engagierten gehören. Haben eine persönliche Webseite, mit der wir bei der Jobsuche für uns werben. Mit Lebenslauf und Urlaubsfotos. Wir haben nichts zu verbergen, wenn wir nichts unrechtes tun.
Und dann, plötzlich, überrascht unsere moderne, überschaubare Freiheit ein ehemaliger US-Geheimdienst-Dienstleister-Mitarbeiter. Alles, was wir mit anderen besprechen, fotografieren, als Meinung äußern, hassen und verabscheuen ist gespeichert. Für immer.
Meine Oma ist tot, meine Tante eine alte, fast blinde Frau ohne Internet und Computer. Da werde ich keine Meinung mehr bekommen zu dem, was wir da erfahren haben.
Wir hören und lesen die eine oder andere Story. Von Journalisten, die bei der Einreise in die USA zu Dingen befragt werden, die sie nur in Emails mit anderen besprochen haben. Von einem Mann im Hessischen, der Stunden, nachdem er auf Facebook ein paar Freunde eingeladen hat, ein geheimnisumwittertes Militärgebäude der Amerikaner von außen zu besichtigen, Besuch von der Polizei erhält.
Wir sehen eine Kanzlerin - die ehemalige DDR-Bürgerin - feist und aufrecht in einem Sessel mitten auf dem früheren Todesstreifen sitzen. Sie erklärt uns, dass sie sicher sei, noch nie abgehört worden zu sein. Dass alles nach Recht und Gesetz geschehe. Den Rest könne man freundschaftlich mit den Rus... Verzeihung! Mit den Amerikanern besprechen.
Diese Frau wird freiwillig und mit ehrlich ausgezählten Stimmen von nahezu der Hälfte der freien Deutschen in 2 Monaten wiedergewählt werden. Wir posten weiter unsere Kinderfotos und erstellen irgendwelche nutzlosen Online-Petitionen. Mit "Wir sind das Volk" wären wir inzwischen überfordert. Vielleicht hätten wir auch gar keine Zeit mehr dafür, weil wir abends mit unseren Onlinefreunden chatten.
Angst und Unfreiheit kennen wir kaum noch aus eigener Erfahrung. Wir wissen nicht, was wir da eigentlich gerade schützen müssten. Es wird schon alles gutgehen. Und zu den paar Spinnern, die da versuchen, Horrorszenarien aufzubauen, sagen wir einfach genervt: "Nicht so laut!"