Kennen Sie noch Franz-Josef Strauß? Oder Herbert Wehner? Vielleicht geht es Ihnen wie mir und Sie sind zu jung, um sie noch bewusst in Aktion erlebt zu haben. Aber so ein bisschen ist hängengeblieben: der eine bayerisch-polternd-konservativ, der andere kauzig-wetternd-sozialdemokratisch.
Zugegeben, ist schon lange her mit den beiden. Nehmen wir doch lieber zwei aktuellere Politikermodelle: z.B. Volker Kauder und Frank-Walter Steinmeier. Da wissen wir doch noch etwas mehr drüber. Also der eine... äh, schwäbisch, und Glatze, der andere... mmmh, weiße Haare, Brille, und da war mal was mit der Niere für seine Frau oder so.
Stop! Die beiden sind Politiker! Die stehen doch für was! Da muss uns doch mehr einfallen als die Haarpracht!
Merken Sie was? Irgendwas ist da anders geworden in den letzten Jahrzehnten.
"Natürlich, das ist ja auch eine andere Zeit heute", höre ich Sie jetzt sagen. Wie recht Sie haben! Damals, im politischen Bonn der 60er und 70er Jahre, stritten sich die Wehners und Straußens jener Zeit wie die Kesselflicker öffentlich, um abends zusammen ein Bierchen zu trinken. Eine Politshow?
Ich behaupte, der Wähler wusste damals sehr genau, welcher Politiker wofür stand. Von Köpcke in der Tagesschau, ohne mehrere Talkshows täglich im Fernsehen, ohne tausende aktuelle Onlineangebote. Politiker hatten damals eine Geschichte, die sie prägte und in ihnen eine Haltung formte, die sie nach außen vertraten, koste es was es wolle. Die einen als junge Soldaten noch für Nazideutschland gekämpft, die anderen als "Rote" geflohen und verfolgt. Aber trotzdem konnten sie sich gegenseitig respektieren als Kämpfer für ein besseres Deutschland mit unterschiedlichen Auffassungen.
Ja, heute haben wir eine andere Zeit. Unsere Politiker brüllen sich nicht mehr gegenseitig vom Rednerpult an. Sie reden so wohlformuliert und emotionslos, dass man nur einschlafen kann. Sie spulen ihre Positionen ab, gerne auch mal durchnummeriert. Nur merken kann sie sich keiner. Und sie reden heute sehr viel miteinander. Tauschen Positionen aus, loten vorsichtig aus, was machbar ist, suchen nach Kompromissen. Schließlich ist man ja unter zivilisierten Menschen. Und deshalb kommen sie am Ende immer zu einer Übereinkunft, die sie gemeinsam tragen und verkünden. Und die immer so wischiwaschi ist, dass sie nichts Entscheidendes bewirkt! Schon gar nicht das, was man ursprünglich mal erreichen wollte!
Und diese Politiker heute, die da gemeinsam getragene Weichei-Kompromisse verkünden, sie hassen sich gegenseitig. Weil der andere immer jemand ist, der das selbe Ziel hat wie man selbst: Machterhalt und Machtausbau. Deshalb ist jedes verabschiedete Grundsatzpapier so gnadenlos einvernehmlich, dass später niemand dem anderen noch einen Strick drehen und selbst einen Vorteil daraus ziehen kann. Wenn es ein Debakel wird findet man aber trotzdem noch irgendeine Position, die der andere unbedingt wollte und man selber nie. Wegen Deutschland? Wem? Achso, Deutschland, die Menschen. Ja, natürlich, alles nur für die Menschen.
"Ja, ist ja gut, dass die Politiker nichts mehr taugen wissen wir ja" sagen Sie jetzt. OK, weg von denen.
Schließlich haben Sie ja auch einen Job, der sie fordert und nicht Zeit, sich noch über diese Hackfressen in Berlin Gedanken zu machen. Glaub ich Ihnen. Z.B. haben Sie andauernd diese unsäglichen, langatmigen Sitzungen. Die mit den PowerPoint-Präsentationen, die Sie vorher wochenlang abgestimmt haben, damit sich jede beteiligte Abteilung auch schon in der Schriftgröße ausreichend berücksichtigt findet.
Natürlich haben sie zwischendurch auch immer mal ein offenes Ohr für den Vorgesetzten zu finden, der Ihnen als Vertrauensbeweis bei einem verlängerten Mittagessen sehr genau erzählt, was für Idioten die in den anderen Abteilungen doch sind und was er alles ändern würde, wenn man ihn ließe. Aber es sei ja bei denen da oben einfach keiner mehr, der sich irgendwas traut. "Also werden wir halt so weitermachen müssen wie bisher" gibt er Ihnen dann noch mit auf den Weg. "Und passen Sie auf, dass Sie dem Müller aus dem 3. Stock nicht ans Bein pinkeln. Sie wissen ja, wie der ist. Und ich möchte Sie nicht verlieren."
Und natürlich liest und schreibt sich eine gewöhnliche Geschäftsmail ja auch nicht mal einfach so. Es kommt auf Halbsätze an, darauf, den anderen von allem in Kenntnis gesetzt zu haben aber möglichst so schwammig, dass Ihnen das später nicht um die Ohren fliegen kann. Wenn das in langen Sitzungen gemeinsam von zivilisierten Menschen im Konsens beschlossene Projekt xy gegen die Wand gefahren wird dann kümmert sich niemand zunächst um Schadensbegrenzung. Nein, Sie und alle beteiligten Kollegen werden Stunden in Posteingangs- und Postausgangsordnern stöbern nach der Mail, die beweist, dass nicht Sie oder Ihr Chef oder Ihre Abteilung schuld waren.
Warum auch nicht? Ihr Vorstand ist nicht Vorstand, weil er eine Vision hat, wie er das Unternehmen in die nächsten 50 Jahre führt. Er möchte nur im nächsten Jahr wieder von den Aktionären entlastet werden. Und das geht am besten mit Geschäftsoptimierung durch Stellenabbau. Und dem wollen Sie dann verständlicher Weise nicht zum Opfer fallen.
Unternehmerisches Handeln unter Berücksichtigung einer zufriedenen Mitarbeiterschaft und positiven Gesamtkonjunktur? Wem? Ach so, ja, natürlich, das ist natürlich das wichtigste in allen Entscheidungen.
Merken Sie was? Irgendwas ist anders geworden seit damals, als ein Unternehmer noch zu Weilen laut und poltrig zu seinen Mitarbeitern sprach und auch noch echte Verantwortung von seinen Abteilungsleitern einforderte. Sie richtig rund machte und sie richtig lobte. Als sich Verantwortung für etwas zu übernehmen auch noch Spaß machen konnte und alle an einem Strang zogen. Zumindest fast alle.
Ich finde, wir lähmen uns dadurch, dass heute niemand mehr auch mal laut und unbequem einfach seine Meinung sagen kann. Dass in allen Bereichen heute dieses "alles erst mal turchtiskutieren" erwachsen geworden ist, fernab der früheren Müsli-Kommunen. Dass Menschen nicht mehr Ecken und Kanten haben dürfen, niemand mehr zum Donnerwetter endlich mal wieder selbst für etwas steht außer für sich selbst und dieses "ich war's aber nicht!".
Ich will heute wieder eine Politikervisage im Fernsehen sehen und sofort wissen, ob ich gut oder schlecht finde, was er will. Oder ich will ihm zuhören können und es wenigstens danach wissen. Ich will nicht mehr ungläubig staunen müssen, wenn ich höre, dass über Jahre niemand in der Lage war, mit der Faust auf den Tisch zu hauen, weil bei einem millionenschweren Flughafenneubau niemand vernünftige Auskünfte geben kann. Ich will Unternehmer erleben, die sich ihrer Verantwortung stellen und diese vorleben. Ich will auch Eltern erleben, die es schaffen, einem Kind zu vermitteln, dass man etwas falsch machen darf und dafür stehen kann, ohne dass eine Welt untergeht.
Will ich zu viel? Ist doch alles heute zwar etwas langwieriger aber doch besser als früher, wenn es um Entscheidungen geht? Und warum sind Menschen heute weichgespülter als früher? Ist es der zu große Wunsch nach Mitbestimmung oder nach Einigkeit? Ich freue mich auf Ihre Meinung.
Zugegeben, ist schon lange her mit den beiden. Nehmen wir doch lieber zwei aktuellere Politikermodelle: z.B. Volker Kauder und Frank-Walter Steinmeier. Da wissen wir doch noch etwas mehr drüber. Also der eine... äh, schwäbisch, und Glatze, der andere... mmmh, weiße Haare, Brille, und da war mal was mit der Niere für seine Frau oder so.
Stop! Die beiden sind Politiker! Die stehen doch für was! Da muss uns doch mehr einfallen als die Haarpracht!
Merken Sie was? Irgendwas ist da anders geworden in den letzten Jahrzehnten.
"Natürlich, das ist ja auch eine andere Zeit heute", höre ich Sie jetzt sagen. Wie recht Sie haben! Damals, im politischen Bonn der 60er und 70er Jahre, stritten sich die Wehners und Straußens jener Zeit wie die Kesselflicker öffentlich, um abends zusammen ein Bierchen zu trinken. Eine Politshow?
Ich behaupte, der Wähler wusste damals sehr genau, welcher Politiker wofür stand. Von Köpcke in der Tagesschau, ohne mehrere Talkshows täglich im Fernsehen, ohne tausende aktuelle Onlineangebote. Politiker hatten damals eine Geschichte, die sie prägte und in ihnen eine Haltung formte, die sie nach außen vertraten, koste es was es wolle. Die einen als junge Soldaten noch für Nazideutschland gekämpft, die anderen als "Rote" geflohen und verfolgt. Aber trotzdem konnten sie sich gegenseitig respektieren als Kämpfer für ein besseres Deutschland mit unterschiedlichen Auffassungen.
Ja, heute haben wir eine andere Zeit. Unsere Politiker brüllen sich nicht mehr gegenseitig vom Rednerpult an. Sie reden so wohlformuliert und emotionslos, dass man nur einschlafen kann. Sie spulen ihre Positionen ab, gerne auch mal durchnummeriert. Nur merken kann sie sich keiner. Und sie reden heute sehr viel miteinander. Tauschen Positionen aus, loten vorsichtig aus, was machbar ist, suchen nach Kompromissen. Schließlich ist man ja unter zivilisierten Menschen. Und deshalb kommen sie am Ende immer zu einer Übereinkunft, die sie gemeinsam tragen und verkünden. Und die immer so wischiwaschi ist, dass sie nichts Entscheidendes bewirkt! Schon gar nicht das, was man ursprünglich mal erreichen wollte!
Und diese Politiker heute, die da gemeinsam getragene Weichei-Kompromisse verkünden, sie hassen sich gegenseitig. Weil der andere immer jemand ist, der das selbe Ziel hat wie man selbst: Machterhalt und Machtausbau. Deshalb ist jedes verabschiedete Grundsatzpapier so gnadenlos einvernehmlich, dass später niemand dem anderen noch einen Strick drehen und selbst einen Vorteil daraus ziehen kann. Wenn es ein Debakel wird findet man aber trotzdem noch irgendeine Position, die der andere unbedingt wollte und man selber nie. Wegen Deutschland? Wem? Achso, Deutschland, die Menschen. Ja, natürlich, alles nur für die Menschen.
"Ja, ist ja gut, dass die Politiker nichts mehr taugen wissen wir ja" sagen Sie jetzt. OK, weg von denen.
Schließlich haben Sie ja auch einen Job, der sie fordert und nicht Zeit, sich noch über diese Hackfressen in Berlin Gedanken zu machen. Glaub ich Ihnen. Z.B. haben Sie andauernd diese unsäglichen, langatmigen Sitzungen. Die mit den PowerPoint-Präsentationen, die Sie vorher wochenlang abgestimmt haben, damit sich jede beteiligte Abteilung auch schon in der Schriftgröße ausreichend berücksichtigt findet.
Natürlich haben sie zwischendurch auch immer mal ein offenes Ohr für den Vorgesetzten zu finden, der Ihnen als Vertrauensbeweis bei einem verlängerten Mittagessen sehr genau erzählt, was für Idioten die in den anderen Abteilungen doch sind und was er alles ändern würde, wenn man ihn ließe. Aber es sei ja bei denen da oben einfach keiner mehr, der sich irgendwas traut. "Also werden wir halt so weitermachen müssen wie bisher" gibt er Ihnen dann noch mit auf den Weg. "Und passen Sie auf, dass Sie dem Müller aus dem 3. Stock nicht ans Bein pinkeln. Sie wissen ja, wie der ist. Und ich möchte Sie nicht verlieren."
Und natürlich liest und schreibt sich eine gewöhnliche Geschäftsmail ja auch nicht mal einfach so. Es kommt auf Halbsätze an, darauf, den anderen von allem in Kenntnis gesetzt zu haben aber möglichst so schwammig, dass Ihnen das später nicht um die Ohren fliegen kann. Wenn das in langen Sitzungen gemeinsam von zivilisierten Menschen im Konsens beschlossene Projekt xy gegen die Wand gefahren wird dann kümmert sich niemand zunächst um Schadensbegrenzung. Nein, Sie und alle beteiligten Kollegen werden Stunden in Posteingangs- und Postausgangsordnern stöbern nach der Mail, die beweist, dass nicht Sie oder Ihr Chef oder Ihre Abteilung schuld waren.
Warum auch nicht? Ihr Vorstand ist nicht Vorstand, weil er eine Vision hat, wie er das Unternehmen in die nächsten 50 Jahre führt. Er möchte nur im nächsten Jahr wieder von den Aktionären entlastet werden. Und das geht am besten mit Geschäftsoptimierung durch Stellenabbau. Und dem wollen Sie dann verständlicher Weise nicht zum Opfer fallen.
Unternehmerisches Handeln unter Berücksichtigung einer zufriedenen Mitarbeiterschaft und positiven Gesamtkonjunktur? Wem? Ach so, ja, natürlich, das ist natürlich das wichtigste in allen Entscheidungen.
Merken Sie was? Irgendwas ist anders geworden seit damals, als ein Unternehmer noch zu Weilen laut und poltrig zu seinen Mitarbeitern sprach und auch noch echte Verantwortung von seinen Abteilungsleitern einforderte. Sie richtig rund machte und sie richtig lobte. Als sich Verantwortung für etwas zu übernehmen auch noch Spaß machen konnte und alle an einem Strang zogen. Zumindest fast alle.
Ich finde, wir lähmen uns dadurch, dass heute niemand mehr auch mal laut und unbequem einfach seine Meinung sagen kann. Dass in allen Bereichen heute dieses "alles erst mal turchtiskutieren" erwachsen geworden ist, fernab der früheren Müsli-Kommunen. Dass Menschen nicht mehr Ecken und Kanten haben dürfen, niemand mehr zum Donnerwetter endlich mal wieder selbst für etwas steht außer für sich selbst und dieses "ich war's aber nicht!".
Ich will heute wieder eine Politikervisage im Fernsehen sehen und sofort wissen, ob ich gut oder schlecht finde, was er will. Oder ich will ihm zuhören können und es wenigstens danach wissen. Ich will nicht mehr ungläubig staunen müssen, wenn ich höre, dass über Jahre niemand in der Lage war, mit der Faust auf den Tisch zu hauen, weil bei einem millionenschweren Flughafenneubau niemand vernünftige Auskünfte geben kann. Ich will Unternehmer erleben, die sich ihrer Verantwortung stellen und diese vorleben. Ich will auch Eltern erleben, die es schaffen, einem Kind zu vermitteln, dass man etwas falsch machen darf und dafür stehen kann, ohne dass eine Welt untergeht.
Will ich zu viel? Ist doch alles heute zwar etwas langwieriger aber doch besser als früher, wenn es um Entscheidungen geht? Und warum sind Menschen heute weichgespülter als früher? Ist es der zu große Wunsch nach Mitbestimmung oder nach Einigkeit? Ich freue mich auf Ihre Meinung.