Es ist ein besonderer Tag. Steffan Raab sagt seine Sendung ab. Die Kanzlerin cancelt alle Termine. Der Bundespräsident eilt aus Südamerika zurück nach Deutschland. Das Fernsehen ergeht sich in Sondersendungen.
Auf Twitter rollt eine Betroffenheitswelle. Niemals sollten Eltern ihr Kind begraben müssen, lese ich. Als junger Vater greife ich automatisch in den Kinderwagen, ein paar Tweets weiter. Kerzen in Avataren, Beileidsbekundungen an Angehörige. Mitten aus dem Leben gerissen, das macht viele fertig.
Was ist passiert? Der Airbus einer deutschen Fluggesellschaft ist in Südfrankreich mit 600 Sachen in ein Alpenmassiv gerast. Für die 150 Insassen gibt es keine Chance.
67 Deutsche, die anderen seien aber genauso wichtig, lese ich auf Twitter. Und es gibt Fotos von betroffenen Angehörigen, so der Aufschrei vieler.
Und die Menschen geben ihre wahren Gefühle wieder, da bin ich mir sicher. Eine nationale Tragödie lässt die inneren Deutschlandflaggen auf Halbmast rutschen. Denn ein solches Unglück einer deutschen Fluglinie, das kennen wir nicht. Wenn, dann saßen unschuldige Urlauber in türkischen Billigfliegern, wenn sie verunglückten.
Ist es also das, was so viele in die Betroffenheit stürzt? Der deutsche Aspekt? Die plötzliche Verwundbarkeit des gewohnten Sicherheitsstandards, wenn man in die Ägäis düste? Der Gedanke, dass man ja auch auf so einen Flug gebucht haben könnte?
Wenn dem so ist, gilt die Betroffenheit also weniger den Angehörigen als der eigenen plötzlichen Angst. Wenn dem aber nicht so ist, wenn es gar nicht darum geht, dass Deutsche in einer deutschen Maschine zerschellten, gar nicht um den Gedanken, selbst plötzlich in einer solchen Situation zu sein: Um was geht es dann?
Ich mache es kurz und plakativ. 150 Menschen sind heute in Südfrankreich in einen Berg gerast. Mehr als 150 Menschen werden auch heute wieder in Syrien getötet worden sein. Mehr als 150 Menschen werden auch heute wieder in Nigeria von Islamisten getötet worden sein. Vielleicht ertrinken gerade jetzt mehr als 150 Menschen im Mittelmeer auf ihrem Weg von Afrika nach Europa. Und die Wahrheit ist: Es interessiert uns nicht die Bohne!
Warum? Wenn man bei Twitter über diese Themen schreibt ist das Interesse gering. Wenn man es gar zu oft tut wird man entfolgt. Von Betroffenheit keine Spur, auch nicht bei denen, die heute betonen, in diesem deutschen Flugzeug seien die Toten aller Nationalitäten schlimm.
Werden wir in unserer Betroffenheit also ferngesteuert von sondersendenden und livetickernden Medien oder von professionell mundwinkelsenkenden Kanzlerinnen? Ein Kollege, der als erstes heute Nachmittag von mir von dem Flugzeugunglück erfuhr, reagierte fast, als seien gute Bekannte in Südfrankreich zerschellt. Der Gedanke der direkten Außenbeeinflussung scheidet also aus.
Und das ist der Punkt, an dem ich nicht mehr weiter weiß. Sich weltoffen und global denkend gebende Menschen haben einen extrem schmalen Grad zwischen Massenbetroffenheit und Gleichgültigkeit. Südfrankreichs Berge sind von Deutschland so weit weg wie die ukrainischen Kampfgebiete. In unserer Wahrnehmung scheinen Ozeane dazwischen zu liegen.
Müssen trauernde Hinterbliebene also wirklich in Düsseldorf stehen statt in Donezk, damit uns ihre Trauer rührt? Ist echte Betroffenheit ortsgebunden?
Wie gesagt: Ich verstehe es nicht. Dabei könnten wir so viel erreichen, wenn uns nicht nur Flugzeugunglücke, auf deren Ursachen wir keinen Einfluss haben, wirklich betroffen machen und uns zum Nachdenken bringen würden, sondern auch die selbstverschuldeten Tragödien der Menschheit.
Auf Twitter rollt eine Betroffenheitswelle. Niemals sollten Eltern ihr Kind begraben müssen, lese ich. Als junger Vater greife ich automatisch in den Kinderwagen, ein paar Tweets weiter. Kerzen in Avataren, Beileidsbekundungen an Angehörige. Mitten aus dem Leben gerissen, das macht viele fertig.
Was ist passiert? Der Airbus einer deutschen Fluggesellschaft ist in Südfrankreich mit 600 Sachen in ein Alpenmassiv gerast. Für die 150 Insassen gibt es keine Chance.
67 Deutsche, die anderen seien aber genauso wichtig, lese ich auf Twitter. Und es gibt Fotos von betroffenen Angehörigen, so der Aufschrei vieler.
Und die Menschen geben ihre wahren Gefühle wieder, da bin ich mir sicher. Eine nationale Tragödie lässt die inneren Deutschlandflaggen auf Halbmast rutschen. Denn ein solches Unglück einer deutschen Fluglinie, das kennen wir nicht. Wenn, dann saßen unschuldige Urlauber in türkischen Billigfliegern, wenn sie verunglückten.
Ist es also das, was so viele in die Betroffenheit stürzt? Der deutsche Aspekt? Die plötzliche Verwundbarkeit des gewohnten Sicherheitsstandards, wenn man in die Ägäis düste? Der Gedanke, dass man ja auch auf so einen Flug gebucht haben könnte?
Wenn dem so ist, gilt die Betroffenheit also weniger den Angehörigen als der eigenen plötzlichen Angst. Wenn dem aber nicht so ist, wenn es gar nicht darum geht, dass Deutsche in einer deutschen Maschine zerschellten, gar nicht um den Gedanken, selbst plötzlich in einer solchen Situation zu sein: Um was geht es dann?
Ich mache es kurz und plakativ. 150 Menschen sind heute in Südfrankreich in einen Berg gerast. Mehr als 150 Menschen werden auch heute wieder in Syrien getötet worden sein. Mehr als 150 Menschen werden auch heute wieder in Nigeria von Islamisten getötet worden sein. Vielleicht ertrinken gerade jetzt mehr als 150 Menschen im Mittelmeer auf ihrem Weg von Afrika nach Europa. Und die Wahrheit ist: Es interessiert uns nicht die Bohne!
Warum? Wenn man bei Twitter über diese Themen schreibt ist das Interesse gering. Wenn man es gar zu oft tut wird man entfolgt. Von Betroffenheit keine Spur, auch nicht bei denen, die heute betonen, in diesem deutschen Flugzeug seien die Toten aller Nationalitäten schlimm.
Werden wir in unserer Betroffenheit also ferngesteuert von sondersendenden und livetickernden Medien oder von professionell mundwinkelsenkenden Kanzlerinnen? Ein Kollege, der als erstes heute Nachmittag von mir von dem Flugzeugunglück erfuhr, reagierte fast, als seien gute Bekannte in Südfrankreich zerschellt. Der Gedanke der direkten Außenbeeinflussung scheidet also aus.
Und das ist der Punkt, an dem ich nicht mehr weiter weiß. Sich weltoffen und global denkend gebende Menschen haben einen extrem schmalen Grad zwischen Massenbetroffenheit und Gleichgültigkeit. Südfrankreichs Berge sind von Deutschland so weit weg wie die ukrainischen Kampfgebiete. In unserer Wahrnehmung scheinen Ozeane dazwischen zu liegen.
Müssen trauernde Hinterbliebene also wirklich in Düsseldorf stehen statt in Donezk, damit uns ihre Trauer rührt? Ist echte Betroffenheit ortsgebunden?
Wie gesagt: Ich verstehe es nicht. Dabei könnten wir so viel erreichen, wenn uns nicht nur Flugzeugunglücke, auf deren Ursachen wir keinen Einfluss haben, wirklich betroffen machen und uns zum Nachdenken bringen würden, sondern auch die selbstverschuldeten Tragödien der Menschheit.