Während Kreuzfahrer in früheren Zeiten mit dem Schwert nach Judäa und Palästina kamen, um die Ungläubigen von den heiligen Stätten zu vertreiben kommen die heutigen Kreuzfahrer mit Kameras nach Israel, um unglaubliches über diese Stätten zu erfahren.
Die Angst vor den Kreuzfahrern scheint jedoch noch immer noch nicht ganz verschwunden zu sein. So stiegen bereits in Sizilien 5 israelische Sicherheitsbeamte zu, um während der zweitägigen Fahrt nach Haifa Reisepässe zu kontrollieren, Visa auszustellen und Verdächtige aufzuspüren. Bevor es gestern Früh an Land ging ließen dann wieder neue Sicherheitsbeamte die Horde der Reisenden so lange auf die Taschenkontrolle warten, dass nach 45 Minuten nicht nur die Luft knapp wurde, sondern direkt vor mir zwei Kreuzfahrer aus Frankreich bzw. Bayern handgreiflich wurden.
So war ich froh, als ich endlich mit 19 anderen Passagieren die Fahrt nach Jerusalem beginnen konnte. Eva, unsere Reiseleiterin, die als Deutsche seit 30 Jahren in Istael lebt, hatte schon auf den ersten Kilometern interessante Infos. Die traumhaften Strände sind dank eines israelischen Gesetzes kostenlos für jedermann, inklusive Duschen und sogar WLAN. Die modernen Gebäude am Stadtrand beherbergen alles, was in der IT-Welt Rang und Namen hat. Intel fertigt hier seine Chips, der USB-Stick wurde hier erfunden.
Von der Autobahn aus sehen wir erstaunliches: abwechselnd rein muslimische und jüdische Dörfer, nicht weit voneinander getrennt und friedlich. Über angebliche Kriegsangst in Israel kann Eva nur lachen: "Die haben wir seit 65 Jahren, und eine Gasmaske hat sowieso jeder von uns im Schrank."
Nach eineinhalb Stunden sind wir oben in Jerusalem, 850 Meter über dem Meeresspiegel. Was auffällt ist die einheitliche Farbe der Häuser. Denn auch das ist hier Gesetz: sämtliche Gebäude müssen mit den selben hellgelben Ockerton haben. Jerusalem ist auf den ersten Blick eine geschäftige, saubere, gepflegte Stadt, sogar eine Straßenbahn gibt es seit neuestem. An Universitätsgebäuden vorbei geht es hinauf zum Ölberg.
Und von dort habe ich das erste Mal mit eigenen Augen den Blick auf die Altstadt Jetusalems, die goldene Kuppel des Felsendoms, die Kuppeln und Minarette der Weltreligionen, die Köagemauer, die Stadtmauer, direkt unter mir der große jüdische Friedhof. Jahrtausende Krieg, Herrschaft, Glaube und Hass liegen unter mir. Was für eine Stadt! Das hat auch Rom nicht zu bieten.
Dann geht wieder weiter. Den Ölberg hinunter, hin zur Mauer, die Jerusalem von den Palästinensergebieten trennt. Der Vergleich mit dem geteilten Deutschland drängt sich auf. Willkürliche Autodurchsungen bei den Einreisenden aus den besetzten Gebieten, Wachttürme, Betonfertigteile, dreimal so hoch wie die Berliner Mauer. Eva erklärt uns, wie froh sie über den Grenzwall ist. Seit seinem Bestehen habe die Zahl der Anschläge in Israel drastisch abgenommen.
Dann sind wir "drüben". Das Straßenbild ist schlagartig anders. Dreck überall, Müllhalden zwischen den verwahrlosten Häusern, Graffitis. In den Untergeschossen offene Autowerkstätten und Souvenirläden. "In einen müssen wir immer rein, wenn wir hier rüber reisen. Aber bitte nur kurz", ermant sie uns. An der Ladentür klebt ein Sticker: "I Love Jesus". Drinne gibt es Ikonen, geschnitzte Marien und Kamele, hebräische siebenarmige Leuchter. Ich finde nichts, was mich interessiert und gehe wieder auf die Strasse, bin sofort von Straßenverkäufern umringt. Halsketten, Stofftaschen, Postkarten, Magnettäfelchen. Es ist unverkennbar: hier ist der Lebensstandard ein anderer als in Jerusalem.
Dann endlich fahren wir weiter, nur wenige Minuten bis Bethlehem. Auch hier das Bild einer typisch arabischen Stadt, Touristen in Karawanen, Straßenhändler, Pilger. Hinein geht es in die Geburtskirche. Ein freundlicher palästinensischer Polizist am Eingang nickt uns freundlich zu. Eva ist happy: "Der Eingang zur Grotte ist frei! Das ist er sonst nie!" Wir steigen die schmalen Stufen unter die Erde in die von Steinwänden umgebene Grotte, in der Kerzen, ein kleiner Altar und ein siebenzackiger Stern den Geburtsort Jesu markieren soll. Niemand hätte hier unten jemals Kuh und Esel hingehievt bekommen und auch Eva sagt, niemand wisse, wo in Bethlehem Jesus wirklich geboren sei. Gerade will den Altar filmen, da springt ein Asiate mit Mütze die Treppe herunter, wirft sich auf die Knie, küsst den Boden. Dann steht er auf, schwer atmend, blickt sich wie in Trance um, blickt dann wieder zur "Geburtsstätte". Ich gehe hinauf. Oben beten gerade die Armenier, die sich die Kirche mit den orthodoxen Christen und den Katholiken teilen. Eva erzählt, die drei Gruppen würden sich auch schon mal handgreiflich bekämpfen, wenn es darum gehe, den Pflichten nachzukommen.
Der Weg zurück zum Bus ist ein Spießrutenlauf durch die Händler "Whete come you from? Du deutsch? Hier, nur 2 Euro, 3 für 5. Magnet, hier guckst du!" Nur weg hier! Eva fährt mit uns zum besten Falaffel-Imbiss Bethlehems, für einen Euro gibt es noch einen starken Mokka dazu.
Dann wieder zurück durch die Mauer. Ich beobachte bei der Kontrollstelle eine junge israelische Soldatin, höchstens 20. Die kugelsichere Weste über der Uniform wegen der Wärme aufgeknöpft, die Maschienenpistole hängt lässig am Rücken. Sie lacht und scherzt mit ein paar Kollegen. Waffen, Militärdienst, Feinde - nichts besonderes in Israel. Hier herrscht Wehrpflicht, 3 Jahre für Männer, 2 Jahre für Frauen. Ersatzdienst gibt es nicht, jeder bleibt bis zum 45. Jahr Reservist. Krieg kann immer sein. Eva erzählt, ihr Sohn rufe sie jeden Abend aus der Negheb-Wüste an und beschwere sich über die harte Grundausbildung bei den Kampftruppen.
Wir quälen uns mit der Fahrzeugkolonne durch die Kontrolle, hin zur Jerusalemer Stadtmauer. Von hier aus sind wir zu Fuß unterwegs durch den arabischen Teil der Altstadt. Es geht durch den Bazar, immer noch ein Stück 1000 und eine Nacht, auch wenn T-Shirts inzwischen zum Angebot gehören. Es geht durch die engen Gässchen, mal rechts, mal links. Vorbei an riesigen Granatäpfeln und Orangen, Gewürzen, Gebäck, Souvenirs, Kaffeebars und allem, was auch nur denkbar ist.
Plötzlich ein kleiner Platz, dahinter die Grabeskirche, davor ein Menschengewirr aus Touristen in allen Sprachen, orthodoxen Würdenträgern mit langen Bärten und schwarzen Hüten sowie sonstigen Priestern. Hier teilen sich gleich sechs Konfessionen die Aufsicht, was so schwierig ist, dass die Schlüsselgewalt in den Händen einer moslemischen Familie liegt. Innen ist das Durcheinander nicht weniger groß. Im 3. Jahrhundert hatte man hier ausgerechnet noch die drei Holzkreuze gefunden, an denen Jesus und die zwei Übeltäter hingerichtet wurden. Praktischerweise befindet sich das angebliche Grab Jesu auch an gleicher Stelle. Und als sei das noch nicht alles ruht hier auch noch die Steinplatte, auf der der tote Jesus gewaschen wurde. Die Platte stammt zwar aus dem 14. Jahrhundert, vor mir sanken jedoch reihenweise Gläubige darauf zu Boden.
Danach führt uns Eva weiter durch die Gassen, die jetzt aber ein gut florierender Markt für die Pilger aller Religionen sind. Vom Rosenkranz bis zum Heiligenbild in jeder gewünschten Größe - hier kann man seinen Glauben kaufen.
Irgendwann sind wir in der Via Dolorosa, die Jesus auf dem Weg zu seiner Hinrichtung beschritten haben soll. In ihr kennt Eva auch den Besitzer eines kleinen Kaffees, der Mokka zwischendurch muss jetzt sein. Ich entscheide mich auch noch für einen vor meinen Augen frisch gepressten Grapefruitsaft. Lecker!
Ein paar Gässchen weiter zeigt Eva auf eine weitere Basarstrasse. Sie führt direkt zum moslemischen Felsendom, und den darf kein Ungläubiger betreten. Wir gehen deshalb weiter, bis in einer der Altstadtgässchen eine Sicherheitsschleuse auf uns wartet. Nur durch sie betritt man den jüdischen Teil der Altstadt. Und gelangt direkt zur Klagemauer. Der große freie Platz davor wimmelt vor Soldaten, Touristen und orthodoxen Juden. Sie sind gekommen, um über das Schicksal des zerstörten Tempels und ihres Volkes zu klagen. Links die Männer, rechts - durch einen Zaun getrennt - die Frauen.
Irgendwie hatte ich mir die Stimmung an dieser berühmten Stelle immer aufgeladener, feindseliger vorgestellt. An diesem Nachmittag, in der schon tief stehenden Sonne, ist sie es nicht. Vielleicht liegt es daran, dass der Platz zur anderen Seite hin von den sauberen Fassaden des neu gebauten Altstadtteils eingerahmt wird. Ich spüre Geschichte, weiß, dass hier einst der bedeutendste Tempel des Altertums stand und sich die Mauer vor mir noch weitere 12 Meter unter den heutigen Platz erstreckt. Hier hatten die Juden einst ihren Gott angebetet, geopfert, erlesenste Dinge gespendet.
Zum letzten Ziel müssen wir es in 10 Minuten schaffen. Der Garten Gethsema schließt um 17 Uhr, dann wird es außerdem sehr schnell dunkel in diesen Breitengraden. Wir schaffen es. Die Ölbäume sind zwar "nur" rund 1000 Jahre alt, aber ich kann mir vorstellen, wie es ungefähr ausgesehen haben mag, als Jesus hier seine letzte Nacht in Freiheit mit seinen Jüngern verbrachte.
Vom Garten aus schaue ich hinauf zur Stadt. Die Mauer liegt in voller Breite vor mir, dahinter erheben sich die Häuser und Dächer. Viel zu kurz war die Zeit, um alle Orte auf sich wirken zu lassen, sich von Touristen und symbolischen Stätten an falschen Stellen zu lösen und sich einfach nur vorzustellen, was sich zumindest irgendwo in der Nähe in welchem Umfeld abgespielt hat. Gerne würde ich einmal länger wiederkommen nach Jerusalem.
Der heutige zweite Israel-Tag begann mit immerhin weniger Wartezeit vor den Kontrollen. Auch blieb nur ein halber Tag Zeit für die Fahrt zum Galliläischen Meer.
Erster Halt: Nazareth. Eine durch und durch arabisch geprägte Stadt mit der Verkündigungs-Kirche an dem Ort, an dem Maria durch einen Engel von der Geburt Jesu erfahren haben soll.
Viel weniger als die Kirche selbst interessierte mich der Hinweis der heutigen jüdischen Teiseleiterin auf eine Synagoge ein Stückchen weiter, die an der Stelle stehen soll, an der Jesus damals von den Schriftgelehrten hinausgejagt und die Straße hinabgetrieben wurde, auf der wir heute standen. Da hatte ich wieder ein kleines Stück Vorstellung: die damaligen Häuser am Hang hinter der Synagoge, die steile Strasse hinunter.
Auch der zweite Ort, den wir anfuhren, besteht nur noch aus neuen Häusern. In Kanaa hatte Jesus sein erstes - und aus meiner Sicht wichtigstes - Wunder gewirkt und bei einer Hochzeit aus Wasser Wein gemacht. Kanaa lebt heute vom Verkauf von Wein und von einer Kirche, in der Verheiratete ihren Treueschwur erneuern können.
Letzter Punkt: das Galliläische Meer und ein Stück des Jordantals. Noch bevor wir den See erreichten fällt auf, wie grün und fruchtbar die Gegend ist, weshalb sie heute von etlichen Kibutzen bewirtschaftet wird.
Der See selbst ist 21 Kilometer lang und 12 Kilometer breit und er liegt 250 Meter unter dem Meeresspiegel. Wir halten an einem Aussichtspunkt genau auf Meereshöhe und haben trotz etwas diesigen Wetters einen schönen Blick. Allerdings nicht nur auf den See, sondern auch auf das nur wenige Kilometer entfernte Jordanien. Und auf die Golanhöhen, die sich unmittelbar am gegenüberliegenden Ufer des Sees erheben und im Sechstagekrieg durch Israel von Syrien erobert wurde. Bis zum Bürgerkriegsland Syrien sind es von unserem Standpunkt aus nur gut 20 Kilometer.
Was dann geschieht, ist beinahe filmreif. Denn noch während die Reiseleiterin und die gegenüberliegenden Feindesländer Israels erklärt ertönen aus dem Tal herauf Punkt 11 Uhr Sirenen. "Nur eine Übung für die Schulkinder", beruhigt sie uns. Für uns Besucher ist das dennoch ein Symbol dafür, wie man in Israel mit der ständigen Kriegsgefahr lebt.
Wir fahren hinunter zum See an die Stelle, an der der Jordan aus dem See herausfließt. Wer will darf sich hier taufen lassen, im Baptizm Center, weil Jesus irgendwo im Jordan von Johannes getauft wurde. Drei aus unserem Bus wollen es tun. Die obligatorisch wrißen Kleider sind im Preis inbegriffen.
Und dann stehen wir alle am Jordan, oben auf den Stufen, die ins Wasser führen und mit Gittern säuberlich geteilt sind, damit sich die einzelnen Besuchergruppen nicht ins verzückte Gehege kommen. Schließlich erscheinen unsere drei, umgezogen und weiß gewandet. "Hierher, hierher, Taufe Bus 16 bitte hierher!" ruft unsere jüdische Reiseleiterin. "Kommen Sie in das heilige Wasser!" Die Verwandten haben die Kameras bereit, vorsichtig wird die Wassertemperatur mit den Zehen geprüft. Dann stehen die drei bis zum Bauch im Wasser. Wer denn nun taufe, fragt einer. "Sie sich selbst" antwortet die Reiseleiterin. Sie finden das Wasser dann doch etwas kühl, lassen sich im Jordan stehend noch ein paar mal fotografieren. Für ein paar der Gruppe werden noch rasch mitgebrachte Trinkflaschen ausgeleert und dann mit "heiligem Wasser" gefüllt. Immerhin: niemand erkältet sich, die Haare bleiben trocken und eine Taufurkunde gibt es auch. Johannes der Täufer kriegt es zum Glück ja nicht mehr mit.
Um 13 Uhr sind wir Kreuzfahrer dann wieder auf dem Weg zum nächsten Ziel. Für mich bleiben ein paar besondere Eindrücke von Orten und Landschaften, die ich gerne noch einmal ausführlicher in einem hoffentlich friedlichen Israel erweitern würde.
Die Angst vor den Kreuzfahrern scheint jedoch noch immer noch nicht ganz verschwunden zu sein. So stiegen bereits in Sizilien 5 israelische Sicherheitsbeamte zu, um während der zweitägigen Fahrt nach Haifa Reisepässe zu kontrollieren, Visa auszustellen und Verdächtige aufzuspüren. Bevor es gestern Früh an Land ging ließen dann wieder neue Sicherheitsbeamte die Horde der Reisenden so lange auf die Taschenkontrolle warten, dass nach 45 Minuten nicht nur die Luft knapp wurde, sondern direkt vor mir zwei Kreuzfahrer aus Frankreich bzw. Bayern handgreiflich wurden.
So war ich froh, als ich endlich mit 19 anderen Passagieren die Fahrt nach Jerusalem beginnen konnte. Eva, unsere Reiseleiterin, die als Deutsche seit 30 Jahren in Istael lebt, hatte schon auf den ersten Kilometern interessante Infos. Die traumhaften Strände sind dank eines israelischen Gesetzes kostenlos für jedermann, inklusive Duschen und sogar WLAN. Die modernen Gebäude am Stadtrand beherbergen alles, was in der IT-Welt Rang und Namen hat. Intel fertigt hier seine Chips, der USB-Stick wurde hier erfunden.
Von der Autobahn aus sehen wir erstaunliches: abwechselnd rein muslimische und jüdische Dörfer, nicht weit voneinander getrennt und friedlich. Über angebliche Kriegsangst in Israel kann Eva nur lachen: "Die haben wir seit 65 Jahren, und eine Gasmaske hat sowieso jeder von uns im Schrank."
Nach eineinhalb Stunden sind wir oben in Jerusalem, 850 Meter über dem Meeresspiegel. Was auffällt ist die einheitliche Farbe der Häuser. Denn auch das ist hier Gesetz: sämtliche Gebäude müssen mit den selben hellgelben Ockerton haben. Jerusalem ist auf den ersten Blick eine geschäftige, saubere, gepflegte Stadt, sogar eine Straßenbahn gibt es seit neuestem. An Universitätsgebäuden vorbei geht es hinauf zum Ölberg.
Und von dort habe ich das erste Mal mit eigenen Augen den Blick auf die Altstadt Jetusalems, die goldene Kuppel des Felsendoms, die Kuppeln und Minarette der Weltreligionen, die Köagemauer, die Stadtmauer, direkt unter mir der große jüdische Friedhof. Jahrtausende Krieg, Herrschaft, Glaube und Hass liegen unter mir. Was für eine Stadt! Das hat auch Rom nicht zu bieten.
Dann geht wieder weiter. Den Ölberg hinunter, hin zur Mauer, die Jerusalem von den Palästinensergebieten trennt. Der Vergleich mit dem geteilten Deutschland drängt sich auf. Willkürliche Autodurchsungen bei den Einreisenden aus den besetzten Gebieten, Wachttürme, Betonfertigteile, dreimal so hoch wie die Berliner Mauer. Eva erklärt uns, wie froh sie über den Grenzwall ist. Seit seinem Bestehen habe die Zahl der Anschläge in Israel drastisch abgenommen.
Dann sind wir "drüben". Das Straßenbild ist schlagartig anders. Dreck überall, Müllhalden zwischen den verwahrlosten Häusern, Graffitis. In den Untergeschossen offene Autowerkstätten und Souvenirläden. "In einen müssen wir immer rein, wenn wir hier rüber reisen. Aber bitte nur kurz", ermant sie uns. An der Ladentür klebt ein Sticker: "I Love Jesus". Drinne gibt es Ikonen, geschnitzte Marien und Kamele, hebräische siebenarmige Leuchter. Ich finde nichts, was mich interessiert und gehe wieder auf die Strasse, bin sofort von Straßenverkäufern umringt. Halsketten, Stofftaschen, Postkarten, Magnettäfelchen. Es ist unverkennbar: hier ist der Lebensstandard ein anderer als in Jerusalem.
Dann endlich fahren wir weiter, nur wenige Minuten bis Bethlehem. Auch hier das Bild einer typisch arabischen Stadt, Touristen in Karawanen, Straßenhändler, Pilger. Hinein geht es in die Geburtskirche. Ein freundlicher palästinensischer Polizist am Eingang nickt uns freundlich zu. Eva ist happy: "Der Eingang zur Grotte ist frei! Das ist er sonst nie!" Wir steigen die schmalen Stufen unter die Erde in die von Steinwänden umgebene Grotte, in der Kerzen, ein kleiner Altar und ein siebenzackiger Stern den Geburtsort Jesu markieren soll. Niemand hätte hier unten jemals Kuh und Esel hingehievt bekommen und auch Eva sagt, niemand wisse, wo in Bethlehem Jesus wirklich geboren sei. Gerade will den Altar filmen, da springt ein Asiate mit Mütze die Treppe herunter, wirft sich auf die Knie, küsst den Boden. Dann steht er auf, schwer atmend, blickt sich wie in Trance um, blickt dann wieder zur "Geburtsstätte". Ich gehe hinauf. Oben beten gerade die Armenier, die sich die Kirche mit den orthodoxen Christen und den Katholiken teilen. Eva erzählt, die drei Gruppen würden sich auch schon mal handgreiflich bekämpfen, wenn es darum gehe, den Pflichten nachzukommen.
Der Weg zurück zum Bus ist ein Spießrutenlauf durch die Händler "Whete come you from? Du deutsch? Hier, nur 2 Euro, 3 für 5. Magnet, hier guckst du!" Nur weg hier! Eva fährt mit uns zum besten Falaffel-Imbiss Bethlehems, für einen Euro gibt es noch einen starken Mokka dazu.
Dann wieder zurück durch die Mauer. Ich beobachte bei der Kontrollstelle eine junge israelische Soldatin, höchstens 20. Die kugelsichere Weste über der Uniform wegen der Wärme aufgeknöpft, die Maschienenpistole hängt lässig am Rücken. Sie lacht und scherzt mit ein paar Kollegen. Waffen, Militärdienst, Feinde - nichts besonderes in Israel. Hier herrscht Wehrpflicht, 3 Jahre für Männer, 2 Jahre für Frauen. Ersatzdienst gibt es nicht, jeder bleibt bis zum 45. Jahr Reservist. Krieg kann immer sein. Eva erzählt, ihr Sohn rufe sie jeden Abend aus der Negheb-Wüste an und beschwere sich über die harte Grundausbildung bei den Kampftruppen.
Wir quälen uns mit der Fahrzeugkolonne durch die Kontrolle, hin zur Jerusalemer Stadtmauer. Von hier aus sind wir zu Fuß unterwegs durch den arabischen Teil der Altstadt. Es geht durch den Bazar, immer noch ein Stück 1000 und eine Nacht, auch wenn T-Shirts inzwischen zum Angebot gehören. Es geht durch die engen Gässchen, mal rechts, mal links. Vorbei an riesigen Granatäpfeln und Orangen, Gewürzen, Gebäck, Souvenirs, Kaffeebars und allem, was auch nur denkbar ist.
Plötzlich ein kleiner Platz, dahinter die Grabeskirche, davor ein Menschengewirr aus Touristen in allen Sprachen, orthodoxen Würdenträgern mit langen Bärten und schwarzen Hüten sowie sonstigen Priestern. Hier teilen sich gleich sechs Konfessionen die Aufsicht, was so schwierig ist, dass die Schlüsselgewalt in den Händen einer moslemischen Familie liegt. Innen ist das Durcheinander nicht weniger groß. Im 3. Jahrhundert hatte man hier ausgerechnet noch die drei Holzkreuze gefunden, an denen Jesus und die zwei Übeltäter hingerichtet wurden. Praktischerweise befindet sich das angebliche Grab Jesu auch an gleicher Stelle. Und als sei das noch nicht alles ruht hier auch noch die Steinplatte, auf der der tote Jesus gewaschen wurde. Die Platte stammt zwar aus dem 14. Jahrhundert, vor mir sanken jedoch reihenweise Gläubige darauf zu Boden.
Danach führt uns Eva weiter durch die Gassen, die jetzt aber ein gut florierender Markt für die Pilger aller Religionen sind. Vom Rosenkranz bis zum Heiligenbild in jeder gewünschten Größe - hier kann man seinen Glauben kaufen.
Irgendwann sind wir in der Via Dolorosa, die Jesus auf dem Weg zu seiner Hinrichtung beschritten haben soll. In ihr kennt Eva auch den Besitzer eines kleinen Kaffees, der Mokka zwischendurch muss jetzt sein. Ich entscheide mich auch noch für einen vor meinen Augen frisch gepressten Grapefruitsaft. Lecker!
Ein paar Gässchen weiter zeigt Eva auf eine weitere Basarstrasse. Sie führt direkt zum moslemischen Felsendom, und den darf kein Ungläubiger betreten. Wir gehen deshalb weiter, bis in einer der Altstadtgässchen eine Sicherheitsschleuse auf uns wartet. Nur durch sie betritt man den jüdischen Teil der Altstadt. Und gelangt direkt zur Klagemauer. Der große freie Platz davor wimmelt vor Soldaten, Touristen und orthodoxen Juden. Sie sind gekommen, um über das Schicksal des zerstörten Tempels und ihres Volkes zu klagen. Links die Männer, rechts - durch einen Zaun getrennt - die Frauen.
Irgendwie hatte ich mir die Stimmung an dieser berühmten Stelle immer aufgeladener, feindseliger vorgestellt. An diesem Nachmittag, in der schon tief stehenden Sonne, ist sie es nicht. Vielleicht liegt es daran, dass der Platz zur anderen Seite hin von den sauberen Fassaden des neu gebauten Altstadtteils eingerahmt wird. Ich spüre Geschichte, weiß, dass hier einst der bedeutendste Tempel des Altertums stand und sich die Mauer vor mir noch weitere 12 Meter unter den heutigen Platz erstreckt. Hier hatten die Juden einst ihren Gott angebetet, geopfert, erlesenste Dinge gespendet.
Zum letzten Ziel müssen wir es in 10 Minuten schaffen. Der Garten Gethsema schließt um 17 Uhr, dann wird es außerdem sehr schnell dunkel in diesen Breitengraden. Wir schaffen es. Die Ölbäume sind zwar "nur" rund 1000 Jahre alt, aber ich kann mir vorstellen, wie es ungefähr ausgesehen haben mag, als Jesus hier seine letzte Nacht in Freiheit mit seinen Jüngern verbrachte.
Vom Garten aus schaue ich hinauf zur Stadt. Die Mauer liegt in voller Breite vor mir, dahinter erheben sich die Häuser und Dächer. Viel zu kurz war die Zeit, um alle Orte auf sich wirken zu lassen, sich von Touristen und symbolischen Stätten an falschen Stellen zu lösen und sich einfach nur vorzustellen, was sich zumindest irgendwo in der Nähe in welchem Umfeld abgespielt hat. Gerne würde ich einmal länger wiederkommen nach Jerusalem.
Der heutige zweite Israel-Tag begann mit immerhin weniger Wartezeit vor den Kontrollen. Auch blieb nur ein halber Tag Zeit für die Fahrt zum Galliläischen Meer.
Erster Halt: Nazareth. Eine durch und durch arabisch geprägte Stadt mit der Verkündigungs-Kirche an dem Ort, an dem Maria durch einen Engel von der Geburt Jesu erfahren haben soll.
Viel weniger als die Kirche selbst interessierte mich der Hinweis der heutigen jüdischen Teiseleiterin auf eine Synagoge ein Stückchen weiter, die an der Stelle stehen soll, an der Jesus damals von den Schriftgelehrten hinausgejagt und die Straße hinabgetrieben wurde, auf der wir heute standen. Da hatte ich wieder ein kleines Stück Vorstellung: die damaligen Häuser am Hang hinter der Synagoge, die steile Strasse hinunter.
Auch der zweite Ort, den wir anfuhren, besteht nur noch aus neuen Häusern. In Kanaa hatte Jesus sein erstes - und aus meiner Sicht wichtigstes - Wunder gewirkt und bei einer Hochzeit aus Wasser Wein gemacht. Kanaa lebt heute vom Verkauf von Wein und von einer Kirche, in der Verheiratete ihren Treueschwur erneuern können.
Letzter Punkt: das Galliläische Meer und ein Stück des Jordantals. Noch bevor wir den See erreichten fällt auf, wie grün und fruchtbar die Gegend ist, weshalb sie heute von etlichen Kibutzen bewirtschaftet wird.
Der See selbst ist 21 Kilometer lang und 12 Kilometer breit und er liegt 250 Meter unter dem Meeresspiegel. Wir halten an einem Aussichtspunkt genau auf Meereshöhe und haben trotz etwas diesigen Wetters einen schönen Blick. Allerdings nicht nur auf den See, sondern auch auf das nur wenige Kilometer entfernte Jordanien. Und auf die Golanhöhen, die sich unmittelbar am gegenüberliegenden Ufer des Sees erheben und im Sechstagekrieg durch Israel von Syrien erobert wurde. Bis zum Bürgerkriegsland Syrien sind es von unserem Standpunkt aus nur gut 20 Kilometer.
Was dann geschieht, ist beinahe filmreif. Denn noch während die Reiseleiterin und die gegenüberliegenden Feindesländer Israels erklärt ertönen aus dem Tal herauf Punkt 11 Uhr Sirenen. "Nur eine Übung für die Schulkinder", beruhigt sie uns. Für uns Besucher ist das dennoch ein Symbol dafür, wie man in Israel mit der ständigen Kriegsgefahr lebt.
Wir fahren hinunter zum See an die Stelle, an der der Jordan aus dem See herausfließt. Wer will darf sich hier taufen lassen, im Baptizm Center, weil Jesus irgendwo im Jordan von Johannes getauft wurde. Drei aus unserem Bus wollen es tun. Die obligatorisch wrißen Kleider sind im Preis inbegriffen.
Und dann stehen wir alle am Jordan, oben auf den Stufen, die ins Wasser führen und mit Gittern säuberlich geteilt sind, damit sich die einzelnen Besuchergruppen nicht ins verzückte Gehege kommen. Schließlich erscheinen unsere drei, umgezogen und weiß gewandet. "Hierher, hierher, Taufe Bus 16 bitte hierher!" ruft unsere jüdische Reiseleiterin. "Kommen Sie in das heilige Wasser!" Die Verwandten haben die Kameras bereit, vorsichtig wird die Wassertemperatur mit den Zehen geprüft. Dann stehen die drei bis zum Bauch im Wasser. Wer denn nun taufe, fragt einer. "Sie sich selbst" antwortet die Reiseleiterin. Sie finden das Wasser dann doch etwas kühl, lassen sich im Jordan stehend noch ein paar mal fotografieren. Für ein paar der Gruppe werden noch rasch mitgebrachte Trinkflaschen ausgeleert und dann mit "heiligem Wasser" gefüllt. Immerhin: niemand erkältet sich, die Haare bleiben trocken und eine Taufurkunde gibt es auch. Johannes der Täufer kriegt es zum Glück ja nicht mehr mit.
Um 13 Uhr sind wir Kreuzfahrer dann wieder auf dem Weg zum nächsten Ziel. Für mich bleiben ein paar besondere Eindrücke von Orten und Landschaften, die ich gerne noch einmal ausführlicher in einem hoffentlich friedlichen Israel erweitern würde.