4-Sterne-Hotel, Innenstadt. Kurz vor 8. Ein nüchtern eingerichteter Konferenzsaal mit 20 Meter Frühstücksbüffet, Tischen für jeweils 8 Personen. Es ist voll. Ich decke mich ein, Rührei mit Bacon, ein Brötchen, Salami und Käse. Finde einen freien Platz an einem der Tische. Neben mir fragt eine Frau, zwischen zwei herzhaften Bissen in ihr Brötchen ihre Sitznachbarin mit Obstsalat: "Worum geht es denn heute?" - "Afrika, glaube ich", ist die Antwort.
Ich habe mir gerade Kaffee eingeschüttet und mein Rührei zur Hälfte geschafft, da klopft die Gastgeberin energisch mit einem Messer gegen ihr Glas. Die etwa 60 Gäste verstummen. Begrüßung des Gastredners. Der wohl beleibte Herr, um die 60, im beigen Pullover, erhebt sich, fängt an zu referieren. Über die schwere Bürde der Kolonialzeit für seine Stiftung. Über Afrika, das ja kein Land sei sondern ein Kontinent. Über das man bei uns ja immer noch zu wenig wisse. Und das immer noch als arm, mit hungernden Menschen und rückständig dargestellt werde. Meist zur Weihnachtszeit, um Spenden zu generieren.
Die Kauenden um mich her versuchen, leise zu sein. Bisse ins Brötchen klingen dennoch wie Schritte auf trockenem Holz. Der Redner von der Stiftung ist nun beim persönlichen Teil. 10 Jahre habe er in diesem "Afrika" arbeiten dürfen. Eine Kellnerin bringt neues Rührei, ein zu spät gekommener Herr im Anzug bedient sich am Büffet. Mir ist es derweil gelungen, nahezu geräuschlos mein Brötchen zu belegen und so traue ich mir zu, auch noch Kaffee nachzuschütten.
Im Vortrag wird es jetzt wirtschaftlich. Der Chinese sei so ganz anders in Afrika. "Stellen Sie sich einen Deutschen und eine Chinesin vor, die zusammen in Afrika ein paar Kinder mit nackten Füßen sehen", referiert der Afrika-Kenner, während ich mit den Geräuschen meiner Salami-Brötchenhälfte kämpfe. "Der Deutsche telefoniert sofort nach Hause, dass man Schuhe spenden müsse. Die Chinesin aber hat ein Maßband dabei, misst die Kinderfüße und lässt passende Schuhe produzieren."
Mittlerweile wird von aufmerksamen Kellner neuer Orangensaft zum Büffet gebracht, der Stiftungs-Redner ist nun richtig in Fahrt und schießt Breitseiten gegen die Entwicklungspolitik. Überhaupt wüssten Politiker kaum etwas von Afrika. Aber dafür mache seine Stiftung ja Lobbyarbeit. Schwitzend nimmt der Afrikafreund Platz und es ist Zeit für die Gastgeberin, ihm zu danken und Fragende aufzurufen.
Ich scheine mit meiner Erleichterung nicht allein zu sein, dass der Vortragsteil nun vorüber ist, beiße befreit in meine Käsebrötchenhälfte. Besteck ist im Saal wieder zu hören, Quark wird gelöffelt, vereinzelt holt man sich Nachschub am Büffet. Der Institutsleiter an meinem Tisch lässt von seinem dritten Brötchen, diesmal belegt mit Fleischsalat, ab und wird zum erregten Fragesteller. Dass man Afrika nur noch als arm und rückständig wahrnähme decke sich ja gar nicht mit seinen Beobachtungen. Ob diese Behauptung denn zu validieren sei, fragt er mit lauter Stimme. Und er habe 8 Jahre in Mali gelebt. Dann wendet er sich wieder zum Fleischsalat.
Weitere Einwürfe folgen, von einem älteren Herr, 5 Jahre Ghana und einer Dame mit Doppelnamen von einer Organisation, 4 Jahre Sambia. Jüngere Teilnehmer melden sich zu Wort, in Ermangelung von eigenen Afrikajahren eifrig erwähnend, dass sie gerade von Tagungen in Berlin kämen und den Chinavergleich gefährlich fänden.
Mein Brötchen habe ich geschafft und tupfe mir den Mund mit der Serviette ab. Ich fühle mich satt und brauche Orangensaft. Auf dem Weg zum Büffet dringen weitere Doppelnamen an mein Ohr, mal stimmt die Vertreterin einer Hilfsorganisation dem Sprecher zu, mal rechtfertigt sich eine Dame vom Ministerium. Dem Herrn vom Institut hat man inzwischen den Teller abgeräumt, was ihn zwingt, sich einen neuen samt Brötchen mit Belag zu holen. Ein Herr fragt gerade, was die Stiftung des Redners denn eigentlich genau mache. Er setzt deshalb, noch mehr schwitzend zu einer Antwort an, erklärt ausschweifend, wie gut seine Stiftung Politikern die wirtschaftliche Lage in Afrika erklären könne.
Irgendwann ist die Stunde vorbei, die letzten Fragesteller aufgerufen. Mein Orangensaft ist leer. Die Gastgeberin hat noch ein paar abschließende Worte: am Freitag gibt es ein Fußballturnier der verschiedenen EZ- und IZ-Organisationen der Stadt. Und bitte schon mal vormerken solle man das berühmte gemeinsame Glühweintrinken im Dezember. Schluss. Satt und gestärkt erheben sich die Frühstückenden. Man kennt sich und networked ein wenig oder eilt zum nächsten Termin.
Während ich mit dem Aufzug nach unten zur Tiefgarage fahre habe ich plötzlich nur noch einen Wunsch: unten das Autoradio laut aufdrehen und Toto hören. Mit 'Africa'.
Ich habe mir gerade Kaffee eingeschüttet und mein Rührei zur Hälfte geschafft, da klopft die Gastgeberin energisch mit einem Messer gegen ihr Glas. Die etwa 60 Gäste verstummen. Begrüßung des Gastredners. Der wohl beleibte Herr, um die 60, im beigen Pullover, erhebt sich, fängt an zu referieren. Über die schwere Bürde der Kolonialzeit für seine Stiftung. Über Afrika, das ja kein Land sei sondern ein Kontinent. Über das man bei uns ja immer noch zu wenig wisse. Und das immer noch als arm, mit hungernden Menschen und rückständig dargestellt werde. Meist zur Weihnachtszeit, um Spenden zu generieren.
Die Kauenden um mich her versuchen, leise zu sein. Bisse ins Brötchen klingen dennoch wie Schritte auf trockenem Holz. Der Redner von der Stiftung ist nun beim persönlichen Teil. 10 Jahre habe er in diesem "Afrika" arbeiten dürfen. Eine Kellnerin bringt neues Rührei, ein zu spät gekommener Herr im Anzug bedient sich am Büffet. Mir ist es derweil gelungen, nahezu geräuschlos mein Brötchen zu belegen und so traue ich mir zu, auch noch Kaffee nachzuschütten.
Im Vortrag wird es jetzt wirtschaftlich. Der Chinese sei so ganz anders in Afrika. "Stellen Sie sich einen Deutschen und eine Chinesin vor, die zusammen in Afrika ein paar Kinder mit nackten Füßen sehen", referiert der Afrika-Kenner, während ich mit den Geräuschen meiner Salami-Brötchenhälfte kämpfe. "Der Deutsche telefoniert sofort nach Hause, dass man Schuhe spenden müsse. Die Chinesin aber hat ein Maßband dabei, misst die Kinderfüße und lässt passende Schuhe produzieren."
Mittlerweile wird von aufmerksamen Kellner neuer Orangensaft zum Büffet gebracht, der Stiftungs-Redner ist nun richtig in Fahrt und schießt Breitseiten gegen die Entwicklungspolitik. Überhaupt wüssten Politiker kaum etwas von Afrika. Aber dafür mache seine Stiftung ja Lobbyarbeit. Schwitzend nimmt der Afrikafreund Platz und es ist Zeit für die Gastgeberin, ihm zu danken und Fragende aufzurufen.
Ich scheine mit meiner Erleichterung nicht allein zu sein, dass der Vortragsteil nun vorüber ist, beiße befreit in meine Käsebrötchenhälfte. Besteck ist im Saal wieder zu hören, Quark wird gelöffelt, vereinzelt holt man sich Nachschub am Büffet. Der Institutsleiter an meinem Tisch lässt von seinem dritten Brötchen, diesmal belegt mit Fleischsalat, ab und wird zum erregten Fragesteller. Dass man Afrika nur noch als arm und rückständig wahrnähme decke sich ja gar nicht mit seinen Beobachtungen. Ob diese Behauptung denn zu validieren sei, fragt er mit lauter Stimme. Und er habe 8 Jahre in Mali gelebt. Dann wendet er sich wieder zum Fleischsalat.
Weitere Einwürfe folgen, von einem älteren Herr, 5 Jahre Ghana und einer Dame mit Doppelnamen von einer Organisation, 4 Jahre Sambia. Jüngere Teilnehmer melden sich zu Wort, in Ermangelung von eigenen Afrikajahren eifrig erwähnend, dass sie gerade von Tagungen in Berlin kämen und den Chinavergleich gefährlich fänden.
Mein Brötchen habe ich geschafft und tupfe mir den Mund mit der Serviette ab. Ich fühle mich satt und brauche Orangensaft. Auf dem Weg zum Büffet dringen weitere Doppelnamen an mein Ohr, mal stimmt die Vertreterin einer Hilfsorganisation dem Sprecher zu, mal rechtfertigt sich eine Dame vom Ministerium. Dem Herrn vom Institut hat man inzwischen den Teller abgeräumt, was ihn zwingt, sich einen neuen samt Brötchen mit Belag zu holen. Ein Herr fragt gerade, was die Stiftung des Redners denn eigentlich genau mache. Er setzt deshalb, noch mehr schwitzend zu einer Antwort an, erklärt ausschweifend, wie gut seine Stiftung Politikern die wirtschaftliche Lage in Afrika erklären könne.
Irgendwann ist die Stunde vorbei, die letzten Fragesteller aufgerufen. Mein Orangensaft ist leer. Die Gastgeberin hat noch ein paar abschließende Worte: am Freitag gibt es ein Fußballturnier der verschiedenen EZ- und IZ-Organisationen der Stadt. Und bitte schon mal vormerken solle man das berühmte gemeinsame Glühweintrinken im Dezember. Schluss. Satt und gestärkt erheben sich die Frühstückenden. Man kennt sich und networked ein wenig oder eilt zum nächsten Termin.
Während ich mit dem Aufzug nach unten zur Tiefgarage fahre habe ich plötzlich nur noch einen Wunsch: unten das Autoradio laut aufdrehen und Toto hören. Mit 'Africa'.