Die drückende Schwüle ist vorbei. Die Unwetter haben die Luft klar gemacht. Die Sonne scheint wieder. Angenehm ist die Wärme jetzt, klebt nicht mehr an jeder Faser.
Ein Stockwerk nach oben. Ich gehe zu Fuß. Weißes Mauerwerk, zwei Glastüren. Dann bin ich in der Station. Auf dem Flur. Sie steht da und wartet auf mich. Ernst. In Jeans und Sweatshirt. Kommt auf mich zu. Wir küssen uns.
Wiedersehen nach zweieinhalb Tagen, bevor sie hierher in die Klinik kam. Natürlich sind wir vertraut. Es ist keine Wiedersehensfreude wie nach längerer Trennung. Aber doch ist alles anders hier. Zwischen den Veranstaltungs-Aushängen an der Wand, den Türen mit "Bitte nicht stören. Therapie"-Zetteln.
"Hier essen wir morgens und abends", sagt sie und zeigt auf den großen Tisch hinter der Glaswand. "Da ist unser Aufenthaltsraum. Da können wir abends dann sitzen." Sie sagt schon "unser". Ist wieder einmal angekommen in der Gemeinschaft der Kranken. Ist das ja auch gewohnt nach den letzten Rehas. Die letzte beendet vor 6 Wochen.
"Und hier ist mein Zimmer." Ein Zweibett-Zimmer, Aussicht ins Grüne, geräumig. Sauber gefaltet liegt die Nachtwäsche auf den beiden Krankenhaus-Betten.
"Sollen wir ein bißchen raus gehen?" fragt sie. Wir gehen über den Flur, raus in die geräumige Anlage. "Da sind die Suchtkranken, das da hinten ist die Geschlossene Abteilung, da bei den großen Veranden wohnen die Privatpatienten."
Sie hat sich schnell orientiert hier. So kenne ich sie. Wir gehen in den parkähnlichen Teil der Anstalt. Vorbei am Volleyball-Platz, an der großen Minigolf-Anlage zum See mit den Enten. Es ist noch zu nass vom Unwetter, um zum Wasser zu gehen. Aber die Bank zwischen den Bäumen ist von der Sonne schon wieder trocken. Wir setzen uns.
"Hier ist es schöner als neulich in deiner Reha in Saarbrücken", sage ich. "Wie war dein Tag?" Sie erzählt von der Ergotherapie, dass es Hühnergeschnetzeltes mit Reis gab. Ich erzähle von meiner Arbeit.
Nichts ist spektakulär. Die Situation schon von anderen Orten bekannt. Der Mensch, den ich liebe, ist wieder eingeliefert. Die Hoffnung auf Besserung oder Heilung schon darauf reduziert, wann sie die Medikamente umstellen wollen.
Ich bin müde vom Tag. Sie sieht es mir an. "Du brauchst nicht länger zu bleiben. Fahr nach Hause. Samstag sehen wir uns doch wieder."
Sie bringt mich bis zum Aufweg zum Parkplatz. Abschiedskuss. Ich gehe hinauf zum Auto. Drehe mich dann noch einmal um. Winke.
Müde fahre ich die 5 Kilometer nach Hause. Freue mich auf ein Bier.
Dann, später, sitze ich mit meinem Bier auf dem Balkon. Und ich, der Gesunde, fange an zu weinen.