Ich habe den altehrwürdigen Wanderpokal der Freitagstexter erhalten. Eine Online-Tradition, die so alt ist, dass ich sie selbst früher gar nicht mitbekommen habe. Einst angeschoben von Formschub (bei dem Ihr hier alle Spielregeln findet), unlängst wiederbelebt von Zynaesthesie. Zum Erfolg gemacht jetzt wieder durch alle, die Spaß an und am Texten haben. Also von Euch. Und damit geht es in die nächste Runde. Bis Dienstag, 06.Dezember 2022, 24 Uhr, sollt Ihr kommentieren, was Euch zum Foto unten einfällt. Die drei besten, schönsten, originellsten Texte werde ich bei Twitter und Mastodon zur Abstimmung stellen. Und wer von Euch Platz 1 erreicht, hat dann das selbe Glück wie ich: er, sie oder es darf ein neues Foto aussuchen und veröffentlichen. Und los geht's. Copyright: ja
Was ist Freiheit? Das ist Freiheit. Uneingeschränkte Freiheit, die wir uns nicht nehmen lassen. Auch nicht von der Regierung und ihren völlig überzogenen Geschwindigkeitsregeln. Wir wollen keine Diktatur. Wir bestimmen selbst, wie schnell wir fahren. Das ist unsere Freiheit, unser Leben.
In Deutschland vertrauen wir dem Journalismus, den Journalisten. Schließlich können Sie frei und unabhängig arbeiten und recherchieren. Doch tun sie das auch immer? Twitter an einem heimischen Coronasamstag. Ich stoße auf einen Tweet eines Journalisten der Süddeutschen Zeitung. Dirk von Gehlen. Da er und seine aufschlussreichen Kommentare gleich noch eine Rolle spielen werden, hier ein paar Informationen zu ihm. Von Gehlen hat in München Journalismus studiert, leitet die Redaktion von jetzt.de, einem Online Magazin der Süddeutschen Zeitung mit Themen von Politik bis Kinderkriegen. Außerdem ist von Gehlen sogar Preisträger des Grimme Online Award und Mitglied der Grimme-Nominierungskommission. Er sollte also wissen, was Qualitätsjournalismus ist. Daneben hat es zur Veröffentlichung von vier Büchern gereicht. Jung, modern, onlineaffin - das klingt nach einem Vertreter der Zukunft des Journalismus. Doch soll man sich das wünschen? Wir werden sehen. Auf seinen Tweet antworte ich und komme darüber mit einer weiteren Journalistin in die Diskussion darüber, ob sich der Qualitätsjournalismus bis auf wenige Ausnahmen in Deutschland nicht längst selbst abgeschafft hat. Sie bittet mich um Beispiele. Eines, das ich ihr nenne, ist noch nicht mal neu - ich habe hier bereits ausführlich darüber geschrieben, was ich von der Nähe zur Politik der ZDF-Moderatorin Dunja Hayali halte. Kurze Zusammenfassung: Damals im November 2014 moderierte sie das ZDF Morgenmagazin mit Gästen, die am Nachmittag eine Veranstaltung der Bundesregierung besuchen sollten. Eben jene Veranstaltung, die Übergabe der "Zukunftscharta" an die Kanzlerin, wurde ein paar Stunden später dann von eben jener Dunja Hayali moderiert - im Auftrag der Bundesregierung. Mit vielen Lobeshymnen auf die anwesende Kanzlerin. Details wie gesagt unter dem Link oben. Ich halte es persönlich für ein Unding bei einer öffentlich-rechtlichen Moderatorin, innerhalb von wenigen Stunden über ein und die selbe Veranstaltung der Bundesregierung erst als nötigenfalls kritisch nachfragende, unabhängige Journalistin zu berichten und dann als Auftragnehmerin der Bundesregierung eben genau diese Veranstaltung zu moderieren. Dunja Hayali hat das getan, bei der Veranstaltung in Berlin am 24.11.2014 war ich selbst anwesend. Hätte ich sie an jenem Tag nicht selbst auf der Bühne davon reden hören, wie sehr sich junge Leute bei ihr am Morgen im ZDF auf die Veranstaltung gefreut hätten, wäre mir ihr Glaubwürdigkeits-Fauxpas nicht einmal aufgefallen. Ich verwies also an diesem Coronasamstag auf Twitter auf mein Erlebnis mit Dunja Hayali. Wer sich auf Wikipedia über die Moderatorin informiert, findet dort u.a. auch folgenden Inhalt: Kritik und Aufträge aus der IndustrieDunja Hayali steht in der Kritik, weil sie neben ihrem Beruf als Journalistin auch Fachkongresse von Unternehmen und Veranstaltungen der Glücksspielbranche moderiert. Sie erhielt unter anderem Geld von Amazon und BMW. Dies berichtete das Medienmagazin Zapp vom NDR.[21] Sie selbst sieht darin keinen Verlust der Unbefangenheit in ihrem kritischen Wirken als professionelle Journalistin. Es handele sich dabei nicht um Werbeauftritte. „Oft stelle ich mich auch ehrenamtlich zur Verfügung oder bitte darum, das vorgesehene Honorar zu spenden“, betonte sie. „So wie ich übrigens auch jedes Preisgeld, welches ich durch Auszeichnungen erhalte, spende.“[22] Wenn Hayali schon mit der Glücksspielbranche und mit Amazon keine Berührungsängste als Journalistin hat - bei der Bundesregierung scheint sie sie erst Recht nicht zu haben. Nicht nur als Moderatorin nicht, sondern auch nicht als prominentes Aushängeschild der Veranstaltung auf den Fotos im Werbeflyer der Bundesregierung, noch immer nachzusehen hier. Übrigens scheint auch das ZDF hierbei keine Probleme zu sehen. Wäre das Ganze für das Moderations-Aushängeschild des ZDF kein Problem, hätte die Preisträgerin der Goldenen Kamera auf meinen Tweet nicht reagiert, wie sie es tat. Denn kurze Zeit später zischte die Benachrichtigung über mein Smartphone, dass @dunjahayali mich in einem ihrer Tweets erwähnt hatte: "Lüge, made my day" konnte ich da lesen. Länger und ausführlicher konnte ich ihren Tweet nicht lesen, denn gleichzeitig war ich auch schon von ihr geblockt. Die Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande hatte mich ihren 447.000 Followern auf Twitter mal eben als Lügner vorgestellt und gezeigt, was sie von einer Erinnerung an ihren Auftritt im November 2014 hielt. By the way: Die irakischstämmige Moderatorin ist seit Jahren im Netz übelsten Beleidigungen vor allem der rechten Szene ausgesetzt. Das ist ekelhaft und unentschuldbar. Erhaben über Kritik an ihrer Nähe zur Politik macht sie das nicht. Nun könnte ich über ihr Verhalten hinwegsehen, der Anlass ihres Berlinauftritts für die Bundesregierung liegt ja auch schon weit genug zurück. Was mich aber in den nächsten Stunden auf Twitter erwartete, war ein unfassbares Gebaren der Journalistengilde mit und um den o,g. Dirk von Gehlen. In diesem Kreis erlauchter (?) Journalisten hatte man den Tweet von @dunjahayali wohl als Aufforderung verstanden, mich zum Lügner zu stempeln und, wie man gleich sehen wird, fuhr man eine Strategie, um ganz und gar vom fragwürdigen Auftritt der Dunja Hayali abzulenken. Vorab: Dass diese Strategie zur Anwendung kam, daran bin ich vielleicht ein bisschen selbst Schuld, vielleicht auch nicht. Tatsache ist, dass ich in meinem ersten Tweet über mein Erlebnis mit Hayali im November 2014 schrieb, die Moderatorin hätte an jedem Tag im Morgenmagazin auch die Kanzlerin zu Gast gehabt. Das ist meine Erinnerung an das, was Hayali selbst auf der Bühne über die Sendung des Morgenmagazins stolz erzählte. Wenn ich nun darüber nachdenke, will ich nicht mehr mit 100-prozentiger Sicherheit sagen, ob die Kanzlerin nun wirklich aktive Teilnehmerin der morgendlichen Sendung war. Woran ich mich aber immer noch sehr genau erinnere, sind die Lobeshymnen Dunja Hayalis auf die Kanzlerin während jener Veranstaltung, z.B. dass Merkel eine überaus tolle Gesprächspartnerin sei. Ob sie das nun auch an jenem Morgen war oder vorher bei anderen Gelegenheiten vor laufender Kamera - das Grundproblem des Auftritts im Auftrag der Bundesregierung bleibt für mich davon völlig unberührt. Die Strategie von Gehlens und seiner aufrechten Journalistenfreunde war es aber, mich genau auf diesen Auftritt der Kanzlerin im Morgenmagazin festzunageln und sich absolut keine Meinung entlocken zu lassen zur Kanzlerinnen-Lobeshymnen-Show der unabhängigen (?) öffentlich-rechtlichen Moderatorin. Ich der schamlose Lügner, Frau Hayali die unschuldig Diffamierte. Mit überaus interessanten Gedankengängen, wenn man bedenkt, dass ich es mit einem verantwortlichen Journalisten der eigentlich angesehenen Süddeutschen Zeitung zu tun hatte: Meine Kritik basierte natürlich nicht auf der Kanzlerin im Morgenmagazin, sondern auf Hayali im Morgenmagazin und auf der Regierungsbühne, verstehen will von Gehlen das bis heute nicht. Auf eine Antwort zu meiner Frage an ihn warte ich seit heute vergeblich. Was wohl soviel heißt wie: Hayali hat immer Recht. Mit so einer Art zu denken wird man Redaktionsleiter bei der Süddeutschen Zeitung und Grimme Preisträger. Zweite Strategie des wackeren Online-Journalisten: Links, die ich ihm postete, nicht zu "finden" und in der Zwischenzeit munter weiter zu kommentieren, ich würde keine Beweise liefern. Wie man sieht, bleibt von Gehlen munter beim Thema Kanzlerin im Morgenmagazin. Seine Strategie geht auf. Denn seine Follower interesssiert nicht, was Dunja Hayali bei der Bundesregierung gemacht hat, sondern: Und so wurde es dann zum Katz-und-Maus-Spiel: Wann immer ich von Gehlen oder anderen seiner Freunde,die sich an der Diskussion mit Fragen nach dem Momaauftritt der Kanzlerin - und zwar nur nach diesem Momaauftritt - beteiligten, einen Link schickte, aus dem das Datum hervorging, löschte die dubiose Journalistenrunde ihren jeweiligen Tweet wieder und für andere war meine Antwort in der Diskussion nicht mehr sichtbar. Flankierend wurde ich weiter fleißig als Lügner hingestellt. Immer wieder unterstützt von weiteren Journalisten, die sich der Wahrheit verpflichtet fühlten. Oder auch nicht. Wer da so standhaft darauf beharrt, ich hätte Dunja Hayali ungerechtfertigt diskreditiert, ist Daniel Bouhs, so etwas wie ein Journalist - anders kann ich es wirklich nicht sagen - für den Deutschlandfunk, die taz, das "medium magazin" und "Zeit Online". Traurig, oder? Immer wieder versuchte ich im Eins-zu-eins-Kontakt, vielleicht irgendjemanden zum Nachdenken zu bekommen. Oder wenigstens herauszufinden, worin denn genau meine Lüge bestünde. Niemand, keine und kein Einziger aus dem von Gehlschen Twitterdunstkreis beantwortete mir Rückfragen wie diese oder war im Ansatz an der Rolle von Dunja Hayali interessiert.
Stille Mitleser auf Twitter in dieser Zeit waren unter anderem @SZ_Investigativ (fast schon möchte man lachen) und @SZ (der offizielle Account der Süddeutschen Zeitung). Das Ganze kann man nun als kindisches Spielchen abtun zwischen ein paar selbstverliebten Twitterern, von denen jeder am Ende Recht haben möchte. Man kann und man sollte es aber weiterdenken. Einflussreiche Redaktionsleiter einer bislang als Qualitätsmedium bekannten Süddeutschen Zeitung kümmern sich einen Dreck darum, wie es eine Journalistenkollegin mit der Nähe zu denen hält, die sie als 4.Säule der Demokratie eigentlich mitkontrollieren sollte. Mehrere Journalisten, tätig für verschiedene etablierte Blätter und Magazine, kapieren das Problem nicht oder beteiligen sich - tja, aus welchen Gründen eigentlich? - daran, das Verhalten von Dunja Hayali unter den Teppich zu kehren. Menschen, denen es wenigstens beruflich um Wahrheitsfindung und Verantwortung gehen sollte, spielen ein perfides Spiel, um die Wahrheit zu vertuschen in einer Art und Weise, die ich bisher höchstens Putinfreunden des Senders RT zugetraut hätte. Wir leben in Krisenzeiten. Nicht nur wegen eines Lungenvirusses, sondern weil faschistisch geprägte Parteien und ihre zahlreichen Anhänger versuchen, diesen Staat und seine Demokratie ins Chaos zu stürzen. Wir erleben, dass echter Journalismus sich selbst abschafft, indem Ressourcen für investigativen Journalismus immer weiter beschnitten werden. Zumindest ich hielt bisher noch etwas auf die Süddeutsche Zeitung als eine der letzten Bastionen des Qualitätsjournalismus. Und jetzt stellt sich heraus, dass wir zukünftig den von Gehlens, Bouhs und Hayalis sowie deren schweigenden Kumpanen ausgeliefert sind, um zu hoffen, dass der Journalismus seiner verdammten Pflicht nachkommt? Ich habe Angst. Es muss einmal klar gesagt werden: Auch die Deutsche Telekom steht oft vor nahezu unlösbaren Aufgaben. Ich meine nicht das Einholen von Erlaubnissen zur Lastschriftabbuchung oder vom Verschicken von Rechnungen. Nein, ich rede vom Worstcase -Szenario schlechthin: dem Auftrag eines neuen Kunden. Der Auftrag Ich möchte ungern drumherum reden und gebe es hier auch offen zu: ich war selbst jüngst Auslöser eines solchen Szenarios. Direkt, nachdem ich von meinem Umzug Kenntnis hatte, beauftragte ich mit voller Absicht einen VDSL-Anschluss an meiner neuen Adresse mit gleichzeitiger Kündigung meines DSL-Anschlusses bei einem anderen Anbieter an meiner alten Adresse, um auch noch heimtückisch den Wechselbonus einzustreichen. Um noch einen draufzusetzen machte ich es noch schwieriger: den Auftrag reichte ich erst zweieinhalb Monate vor dem Umzug ein. Verglichen mit der Dauer von Beantragung bis Umsetzung eines Telefonanschlusses in der DDR unverschämt kurzfristig und selbstverständlich nicht zu schaffen. Das Unheil im Unternehmen Deutsche Telekom nahm denn auch seinen unvermeidbaren Verlauf und raste von nun an unaufhaltsam auf das Scheitern des Auftrages zu. Die Kündigung Schon der Auftrag an sich bot allerhöchste Gefahren. Diese lassen sich so zusammenfassen: Anbieter 1 (mit Kündigungsfrist jeweils zum Monatsende) an Adresse 1, Anbieter 2 (Deutsche Telekom) an Adresse 2. Wer soll da nicht durcheinander kommen? Eben. Auch bei der Telekom arbeiten schließlich nur Menschen. Es wurde also versucht, Anbieter 1 an Adresse 2 zu kündigen. Zweimal. Anbieter 1 lehnte jeweils ab mit der Begründung, an Adresse 2 betreibe er keinen Anschluss. Eine hilflose Telekom-Mitarbeiterin rief mich nach sechs Wochen also an, um mir betroffen mitzuteilen, mein Altanschluss könne an Adresse 2 nicht gekündigt werden. Manchmal neige ich zur Naivität, so auch hier. Denn ich verwies auf meinen Antrag und darauf, dass ich ja noch gar nicht an Adresse 2 wohne und also dort auch gar keinen zu kündigenden Anschluss haben könne. Was ich natürlich nicht wissen konnte: so war das im System nicht hinterlegt. Ich Dummerchen aber auch! Ich nannte der Dame also Anschrift 1 - die ihr und dem System völlig unbekannt war -, damit dort nun Anbieter 1 gekündigt werden könnte. Es wäre unfair, nicht auch zu erwähnen, dass die Telekom inzwischen durchaus schon eine wichtige Etappe in der Bearbeitung meines Auftrages erfolgreich zurückgelegt hatte. Denn bereits nach zwei Wochen hatte mich schon das Formular zur Erteilung einer Lastschrifteinzugsermächtigung erreicht. Zwei Wochen später erhielt ich die Kündigungsbestätigung von Anbieter 1, wahrscheinlich machte mich das übermütig und kopflos. Denn ich begann erneut meiner Naivität Raum zu geben und anzunehmen, der Auftrag werde nun abgewickelt und zum oder zumindest kurz nach dem Umzug hätte ich an Adresse 2 einen VDSL-Anschluss von Anbieter 2. Der Anschluss Vier Tage vor dem Umzug erhielt ich eine Email von Anbieter 1. Der Anbieter 2 - also die Deutsche Telekom - habe ihn gebeten, den Vertrag noch vier Wochen weiterlaufen zu lassen, da Anbieter 2 nicht genügend Ressourcen habe, den Anschluss rechtzeitig zur Verfügung zu stellen. Ich möchte es nicht wirklich als gelungene Idee bezeichnen, dass ich auf die Idee kam, nun die Hotline der Telekom anzurufen. Denn damit machte ich das Chaos offenbar erst noch komplett. Die Mitarbeiterin des Call-Centers fragte ich also, warum mein Anschluss sich verzögere, der doch schon so lange beauftragt worden sei. Von notwendigen Baumaßnahmen war nun die Rede. Deshalb solle ja Anbieter 1 vorerst weiter liefern. Ich stellte die Frage, die ich stellen musste, auch wenn ich damit die Dame in echte Schwierigkeiten brachte: Könnte mich denn Anbieter 1 von meiner bisherigen Adresse 1 plötzlich einfach an Adresse 2 weiter versorgen, wenn es dort nicht einmal Anbieter 2 schafft? Es wurde still am anderen Ende der Leitung. "Nein, wohl nicht", drang es schließlich aus dem Call-Center. Da habe ein Mitarbeiter wohl etwas Falsches ins System eingegeben. Sie versprach, Anbieter 1 schnellstmöglich zu unterrichten, dass der Vertrag doch nicht weitergeführt werden solle. Außerdem wollte sie sich bei der Technik erkundigen, was genau noch an Adresse 2 gemacht werden müsse. Da es schon nach 16 Uhr sei würde sie aber heute keinen mehr erreichen. Definitiv könne sie mir jedoch direkt zum Umzug keinen Anschluss zur Verfügung stellen. Die Alternative Wie ich denn in vier Tagen die nach einem Umzug stets wichtigen Telefonate, Internetrecherchen und Emails erledigen sollte, fragte ich. Wie gemein! Schließlich hat die Deutsche Telekom doch für leidgeplagte und gestresste Menschen, die sich neben einem Umzug auch noch eine Beauftragung dieses Unternehmens aufhalsen, eine Lösung. Denn: man könne mir eine Sim für Datenverkehr zuschicken, natürlich nur die Sim ohne Hardware wie Stick oder gar LTE-Router. Diese Sim sei 2 Monate gültig und ich könne damit ein Gigabyte an Daten pro Monat kostenlos nutzen, bis die Geschwindigkeit auf Nordkorea-Niveau gedrosselt würde. Ich erwähnte bereits, dass ich wohl doch gerade sehr gemein drauf war. Wie ein Zwei-Personen-Haushalt einen Monat mit einem Gigabyte auskommen solle, fragte ich unverfroren. "Aber dafür ist es kostenlos", war die Antwort. Ich wurde vermutlich etwas lauter, so dass es am Ende eine Sim mit 5 Gigabyte sein sollte. Außerdem erhielt ich das Versprechen, sie würde sich am nächsten Tag mit frischen Infos von der Technik und wie es bis wann weiterginge melden. Die Technik Machen wir es kurz. Sie meldete sich nicht. Zumindest nicht bis mittags, was mich an einem Freitag, an dem man einem Telekom-Techniker wahrscheinlich schon ab 11 Uhr sein wohlverdientes Wochenende gönnen muss, etwas unruhig machte. Ich rief also die Telekom-Hotline an. Nächste Call-Center-Mitarbeiterin, neues Glück. Nein, Anbieter 1 war nicht informiert worden, dass der Vertrag nicht verlängert werden sollte. Und überhaupt habe der doch mitgeteilt, dass er mich erst vier Wochen später aus dem Vertrag lassen wolle, deshalb könne die Telekom ja auch noch gar nicht tätig werden. Von einer zuzusendenden Simkarte sei auch nichts im System. Es erfolgte mal wieder meine Erklärung des Unterschiedes zwischen Adresse 1 und Adresse 2 angesichts des drohenden Umzugs, die aufrichtige Einsicht der Dame und schließlich sogar noch die Weiterleitung an einen Herrn von der Technik. Niemand sollte den Frevel begehen, zu erwarten, in der Technik könne man unmögliches möglich machen. Denn: Mein Auftrag von vor zweieinhalb Monaten existierte gar nicht im System der Technik. Deshalb wäre man selbstverständlich auch noch nicht tätig geworden und von etwaigen Baumaßnahmen könne also gar keine Rede sein. Was nun, angesichts der verworrenen Lage mit Anbieter 1 und 2 nötig sei, wäre eine komplette "Systembereinigung, nichts was man mal eben mit einem Fingerschnippen erledigen kann", so der versierte Herr. Erst dann könne man die Leitung durchmessen und irgendetwas zum etwaigen Zeitpunkt und bis dahin notwendigen Maßnahmen einer Leitungsbereitstellung sagen. Man wolle sich dann melden. Inzwischen ist es Freitag Abend. Von Anbieter 2 habe ich nichts mehr gehört. Wohl aber von Anbieter 1, dass er von der Telekom informiert worden sei, den Vertrag nicht zu verlängern. Somit ist eines nun klar: Am Montag werden wir umziehen, es wird an Adresse 2 keinen Anbieter 1 mehr geben und natürlich auch keinen Anbieter 2. Vielleicht, wenn das Glück uns hold ist, wird eine Simkarte im neuen Briefkasten auf uns warten. Und selbstverständlich freue ich mich schon auf die Gespräche mit der Telekom-Hotline, um die Karte zu aktivieren. Update 19.09. Auch am Samstag Nachmittag geht die Telekom eifrig weiter in die falsche Richtung - bemüht aber sinnlos. Eben erreichte mich ein Anruf auf meiner Mailbox (nach dreimal Klingeln war ich nicht rechtzeitig am Handy). Inhalt der Nachricht: Selbstverständlich werde mein Auftrag nun bearbeitet. Anbieter 1 sei nun informiert, dass man seine Leitung brauche. Ich weine leise. Stricke sind alle schon in den Umzugskartons. Und dann doch noch eben ein Anruf von @telekom_hilft, die ich bei Twitter mit einem Link auf diesen Blog aufschrecken konnte. Angeblich wird alles getan, damit ich meinen Anschluss - sogar an Adresse 2 - schnellstmöglich erhalte. Silvester mit Internetanschluss - man wird ja wohl mal träumen dürfen. Update 28.09. Was hat sich bisher getan? Um es kurz zu machen: nichts. Ja, es gab Anrufe. Mit Beteuerungen und Entschuldigungen, zweimal Versprechen für Rückrufe, die nicht erfolgten, Geschichten von erkrankten Kollegen - was man halt so sagt, wenn man nichts zu sagen hat. Es gibt sogar inzwischen einen Router, den man mir zugeschickt hat und für den ich seit heute Miete zahle, obwohl ich ihn nicht nutzen kann. Bestellt hatte ich ihn übrigens zum Kauf, nicht zur Miete. Da es völlig sinnlos wäre, das zu ändern, belasse ich es dabei und werfe hin und wieder einen Blick auf ihn, wie er so anschlusslos vor sich hin steht. Als Sinnbild für das Unternehmen Deutsche Telekom. Ach ja: Die Daten-Sim der Telekom - als Ersatzleistung gedacht - verweigert seit Freitag die Einwahl in das UMTS- oder LTE-Netz. Manchmal gibt es ein Bälkchen Empfangsstärke, meistens keins. Mein eigenes Datenvolumen mit dem Handy bei O2 ist - wen verwundert es - inzwischen aufgebraucht. Ich bin also zur Zeit ohne Festnetz und meist komplett ohne Internet. Mein neuer Arbeitgeber wird am 1.Oktober eine Bescheinigung meiner Krankenkasse benötigen. Diese könnte ich online herunterladen. Könnte. Bisher ist es mir nicht gelungen, die Seite meiner Krankenkasse zu öffnen. Wir schreiben das Jahr 2015. In Deutschland diskutiert man über die digitale Zukunft. Update 29.09. Oh ja, ich habe per Twitter meinen Unmut kundgetan. Darüber, nichts zu hören, nicht kontaktiert zu werden, Anruftermine nicht einzuhalten. Was zurückkam war Zuspruch von vielen Followern und deren eigene Erfahrungen. Per DM nannte eine Followerin die Telekom einen "Schweineladen". Wie viel angestauten Frust ich zu lesen bekam müsste eigentlich jedem zu denken geben. Ich selbst verstieg mich in einem Tweet zu dem Wort "verfickte". Einen Sprachgebrauch, nach dem man in meinen Tweets sonst vergeblich sucht. Heute Nachmittag rief mich dann in der Tat wieder ein neuer Gesprächspartner von @telekom_hilft an. Seine Strategie: Angriff ist die beste Verteidigung. Die ersten 15 Minuten des Gesprächs in Kurzform: "Bevor ich mit Ihnen rede will ich Ihnen sagen, das Beleidigungen nicht gehen." - "Was haben Sie für Informationen für mich?" - "Sie haben 'verfickt' geschrieben. So kann ich kein konstruktives Gespräch führen." - "Dann fangen Sie doch einfach mal an, mir etwas zu meinem Anschluss zu sagen." - "Sie haben 'verfickt' geschrieben." - "Aber..." - "Sie haben 'verfickt' geschrieben." Nach 15 Minuten kamen wir dann tatsächlich auf meinen Anschluss zu sprechen. Und zwar so. "Was hat man Ihnen inzwischen für Informationen gegeben, wie weit die Bearbeitung Ihres Auftrages ist?" - "Keine." - "Das kann nicht sein." - "Heißt das, dass Sie mich der Lüge bezichtigen?" - "Ich kenne meine Kollegen und weiß, dass sie immer alle Informationen an die Kunden weitergeben". Es wurde dennoch noch so etwas wie konstruktiv. Ich erfuhr vieles über Arbeitsabläufe und Abstimmungswege bei der Telekom. Mein Eindruck: Deutsche Unternehmen sind nicht dafür gemacht, Prozesse nicht zu verkomplizieren. Immerhin weiß ich jetzt: normalerweise ist der 16.Oktober (!) fixiert, um meinen Anschluss in Betrieb zu nehmen, da erst bis dahin notwendige Ressourcen zur Verfügung stehen, irgendwo notwendige bauliche Maßnahmen durchzuführen. Auf Grund der "öffentlichen Eskalation" durch meine Berichterstattung will man versuchen, den Termin vorzuziehen. (Schlussfolgerungen dahingehend, was mit Kunden passiert, die nicht öffentlich eskalieren, überlasse ich jedem selbst.) Ich soll jetzt täglich telefonisch über den Stand der Dinge informiert werden. Insgesamt habe ich das gleiche zugesagt bekommen wie schon am 19.09. (s.o.). Und es war wieder von einer Rufnummernmitnahme von Adresse 1 die Rede. Ich dachte, das wäre schon lange geklärt. Ein Blick zurück in meinen ursprünglichen Auftrag brachte den Kommunikationsmitarbeiter dann doch heute zu der Erkenntnis, dass ich diese in der Tat gar nicht beauftragt hatte. Und siehe da: es gibt sogar Alternativmöglichkeiten zu der angeblich alternativlosen Zustellung nackter Datensimkarten (s.o.). Ich bleibe gespannt. Werden die versprochenen Anrufe vom neuen Ansprechpartner nun auch eingehalten? Wer eskaliert wie viel und warum und mit welchem Ergebnis? Und vor allem: Was wird aus meinem Anschluss? Bleiben Sie dran. Update: Und tatsächlich hat es schon Mitte Oktober geklappt mit dem Anschluss. Wie schön es doch ist, eingeladen zu werden. Jemand hat an einen gedacht und möchte gerne mit einem zusammen sein. Bei Einladungen zu einem Vorstellungsgespräch ist das fast genauso. Jemand fand die Bewerbung gut und möchte einen kennenlernen. Man ist voller Hoffnung und Erwartung, bereitet sich auf das Unternehmen und die Anforderungen vor und freut sich auf eine neue berufliche Herausforderung. Oder man gerät bei so einer Einladung an ein Unternehmen, dem Bewerbungsverfahren und Anstand völlig fremd zu sein scheinen. Wie es mir jetzt ein paar mal passiert ist. Fall eins: Das bekannte Hamburger Architekturbüro blauraum, das jemand für die Öffentlichkeitsarbeit suchte. Ich wurde angerufen, ein Termin vereinbart, wegen Terminschwierigkeiten der Geschäftsführung dieser nochmals verlegt. So weit so gut. Ich legte dafür auf meiner jetzigen Arbeit einen freien Tag um und buchte die Zugfahrt. Meist bieten potentielle Arbeitgeber nicht mehr an, Reisekosten zu übernehmen. Da man diese, wenn ein Vorstellungsgespräch stattgefunden hat, von der Steuer absetzen kann, erstmal nicht so schlimm. Wenn es stattgefunden hat. Eine Woche vor dem Termin in Hamburg bekam ich diese Mail: Natürlich hatte ich mich schon mit dem Büro vertraut gemacht, seiner Philosophie, seiner PR-Arbeit. Pustekuchen. Ich gab mein Bahnticket zurück und stellte blauraum die Stornogebühr von 27 Euro in Rechnung. Nach drei Wochen ohne Geldeingang schickte ich eine Zahlungserinnerung. Bei so einer Sache geht es mir ums Prinzip. Immerhin schrieb man mir dann, das Geld sei nun unterwegs. Ich bin gespannt, wann es tatsächlich auf meinem Konto ankommt. Eine unerfreuliche Ausnahme und einer dieser Arbeitgeber, bei dem ich eh nicht glücklich geworden wäre. Dachte ich. Doch Fall zwei ließ nicht lange auf sich warten. Am zweiten Tag meines Urlaubs vergangene Woche lag ich grade am Pool, als mein Handy klingelte. Der österreichische Verlag des Gastronomie-Magazins "Rolling Pin" in Graz. Meine Bewerbung als Content und Social Media Manager habe gut gefallen, man wolle mich gerne kennenlernen. Ob ich direkt nach meinem Urlaub nach Graz kommen könne. Die Einladung zum telefonisch vereinbarten Termin kam dann auch nochmal per Mail: Ich freute mich. Ein locker-flockiges Magazin mit beachtlicher Fangemeinde auf Facebook und coolem Content. Das sah zumindest interessant aus. Ich würde also vom Urlaub kommen und praktisch direkt nach Graz weiterreisen und buchte deshalb sofort. Mit dem Auto aus der Nähe von Köln in die Steiermark - eine Tortour. Mit der Bahn - lange unterwegs und teuer. Mit dem Flugzeug abends hin, übernachten, nach dem Gespräch zurück - die beste Lösung. Ich las mich ein, nicht nur in Rolling Pin. In Foren las ich, dass viele Deutsche das Arbeiten in Österreich genossen. Weniger Stress als in Deutschland, fairere Arbeitsbedingungen. Nur ich war da wohl an die Falschen geraten. Denn es stellte sich diese Mail ein: Also auch in Österreich scheint man eben mal wild durch die Gegend zu telefonieren und Bewerber einzuladen, ganz egal, ob man sie überhaupt wirklich kennenlernen möchte oder nicht und ob diese eine teure Anreise haben oder nicht. Aber ein Bewerber schien schnell Glück gehabt zu haben. Schien. Mehr dazu gleich. Das Hotelzimmer konnte ich bei HRS ja kostenfrei stornieren, auf den 273 Euro für den Flug mit AirBerlin blieb ich aber sitzen. Meine Antwort lautete deshalb: Die Rechnung von AirBerlin leitete ich weiter und bekam folgende Antwort: Da schien mich jemand verarschen zu wollen. Ich sollte also doch dann halt zu einem Kaffee nach Graz kommen. Man würde ja so gerne Leute kennenlernen. Nicht mit mir! Was dann folgte wurde noch dreister: Mit anderen Worten: Die Terminabsage war also gar keine, oder wie? Ein Bewerber, der eine mündliche Zusage bekommen hat, muss schon vor seiner Probezeit beim Rolling Pin damit rechnen, dass noch andere Bewerber eingeladen werden, die den armen Kollegen dann nach seiner Probezeit einfach ersetzen? Wie vertrauenserweckend. Deshalb nochmals: Nicht mit mir! Ich bin gespannt, wie es weitergeht und ob ich tatsächlich ein Mahnverfahren brauche.
Was mich jedoch am meisten ärgert ist, dass es offenbar langsam Usus wird, Stellen nicht mehr per ordentlichem Auswahlverfahren zu besetzen und Bewerber willkürlich ein- und wieder auszuladen. Kosten, Zeit und Mühe des Bewerbers - uns doch egal. Natürlich habe ich auch andere Erfahrungen mit potentiellen Arbeitgebern gemacht und zur Zeit zwei Eisen im Feuer. Aber: Wie seht ihr das - habt ihr auch schon solche Erfahrungen gemacht? Muss man sich inzwischen einfach so behandeln lassen, wenn man einen Job möchte? UPDATE 19.Mai 2015: Heute ist das Geld von blauraum auf dem Konto. Soll nicht unerwähnt bleiben. UPDATE 24.Juni 2015: Inzwischen hat mein Anwalt meine Forderung nach Graz geschickt und der CEO von Rolling Pin hat sich sogar die Mühe gemacht, zu antworten. Er verweist auf eine Landingpage, die angeblich den Hinweis enthält, dass keine Kosten übernommen werden und auf der angeblich ausschließlich alle Stellenausschreibungen veröffentlicht werden. Nun, ich habe die Stellenausschreibung (leider) bei newsroom.de gefunden, in voller Länge und mit Email-Adresse. Einige werden jetzt vielleicht denken, dass jetzt besser Schluss wäre und ich mir ein gerichtliches Verfahren ersparen sollte. Nun, für mich sind 270 Euro eine Menge Geld, für andere vielleicht nicht. Ein Verlag, der sein Magazin selbst als weitverbreitetses Gastronomie-Magazin im deutschsprachigen Raum bezeichnet, sollte die Mittel für diese Erstattung aufbringen. Ich möchte nicht darüber spekulierten, wie es mit diesem Verlag in Wirklichkeit bestellt ist, sollten 270 € eine zu hohe finanzielle Hürde sein. Sollte diese Summe also für den Verlag tragbar sein und er sich dennoch lieber auf ein Gerichtsverfahren einlässt sagt das alles aus über den Umgang mit Menschen: Bewerber sind Abschaum und werden als solcher behandelt. Für mich gehören solche Unternehmen an den Pranger gestellt - öffentlich und namentlich. Es ist ein besonderer Tag. Steffan Raab sagt seine Sendung ab. Die Kanzlerin cancelt alle Termine. Der Bundespräsident eilt aus Südamerika zurück nach Deutschland. Das Fernsehen ergeht sich in Sondersendungen.
Auf Twitter rollt eine Betroffenheitswelle. Niemals sollten Eltern ihr Kind begraben müssen, lese ich. Als junger Vater greife ich automatisch in den Kinderwagen, ein paar Tweets weiter. Kerzen in Avataren, Beileidsbekundungen an Angehörige. Mitten aus dem Leben gerissen, das macht viele fertig. Was ist passiert? Der Airbus einer deutschen Fluggesellschaft ist in Südfrankreich mit 600 Sachen in ein Alpenmassiv gerast. Für die 150 Insassen gibt es keine Chance. 67 Deutsche, die anderen seien aber genauso wichtig, lese ich auf Twitter. Und es gibt Fotos von betroffenen Angehörigen, so der Aufschrei vieler. Und die Menschen geben ihre wahren Gefühle wieder, da bin ich mir sicher. Eine nationale Tragödie lässt die inneren Deutschlandflaggen auf Halbmast rutschen. Denn ein solches Unglück einer deutschen Fluglinie, das kennen wir nicht. Wenn, dann saßen unschuldige Urlauber in türkischen Billigfliegern, wenn sie verunglückten. Ist es also das, was so viele in die Betroffenheit stürzt? Der deutsche Aspekt? Die plötzliche Verwundbarkeit des gewohnten Sicherheitsstandards, wenn man in die Ägäis düste? Der Gedanke, dass man ja auch auf so einen Flug gebucht haben könnte? Wenn dem so ist, gilt die Betroffenheit also weniger den Angehörigen als der eigenen plötzlichen Angst. Wenn dem aber nicht so ist, wenn es gar nicht darum geht, dass Deutsche in einer deutschen Maschine zerschellten, gar nicht um den Gedanken, selbst plötzlich in einer solchen Situation zu sein: Um was geht es dann? Ich mache es kurz und plakativ. 150 Menschen sind heute in Südfrankreich in einen Berg gerast. Mehr als 150 Menschen werden auch heute wieder in Syrien getötet worden sein. Mehr als 150 Menschen werden auch heute wieder in Nigeria von Islamisten getötet worden sein. Vielleicht ertrinken gerade jetzt mehr als 150 Menschen im Mittelmeer auf ihrem Weg von Afrika nach Europa. Und die Wahrheit ist: Es interessiert uns nicht die Bohne! Warum? Wenn man bei Twitter über diese Themen schreibt ist das Interesse gering. Wenn man es gar zu oft tut wird man entfolgt. Von Betroffenheit keine Spur, auch nicht bei denen, die heute betonen, in diesem deutschen Flugzeug seien die Toten aller Nationalitäten schlimm. Werden wir in unserer Betroffenheit also ferngesteuert von sondersendenden und livetickernden Medien oder von professionell mundwinkelsenkenden Kanzlerinnen? Ein Kollege, der als erstes heute Nachmittag von mir von dem Flugzeugunglück erfuhr, reagierte fast, als seien gute Bekannte in Südfrankreich zerschellt. Der Gedanke der direkten Außenbeeinflussung scheidet also aus. Und das ist der Punkt, an dem ich nicht mehr weiter weiß. Sich weltoffen und global denkend gebende Menschen haben einen extrem schmalen Grad zwischen Massenbetroffenheit und Gleichgültigkeit. Südfrankreichs Berge sind von Deutschland so weit weg wie die ukrainischen Kampfgebiete. In unserer Wahrnehmung scheinen Ozeane dazwischen zu liegen. Müssen trauernde Hinterbliebene also wirklich in Düsseldorf stehen statt in Donezk, damit uns ihre Trauer rührt? Ist echte Betroffenheit ortsgebunden? Wie gesagt: Ich verstehe es nicht. Dabei könnten wir so viel erreichen, wenn uns nicht nur Flugzeugunglücke, auf deren Ursachen wir keinen Einfluss haben, wirklich betroffen machen und uns zum Nachdenken bringen würden, sondern auch die selbstverschuldeten Tragödien der Menschheit. Ein Wort, das vieles verspricht: "Zukunftscharta". Es scheint um eine konkrete Planung zu gehen. Punkte, die man abarbeiten kann, um die Zukunft zu beeinflussen. Und so ist es wohl auch gemeint. Vom Minister, der dieses umfangreiche Werk in rund 7 Monaten hat aus dem Boden stampfen lassen. Von der "Zivilgesellschaft", Organisationen, Verbänden, Kirchen, Menschen die im Internet kommentieren sollten. Und dann dürfen sie sich alle treffen an jenem 24.November, die engagierten Weltverbesserer, die die Probleme der Welt mit Anstrengungen aus Deutschland lösen wollen. Hunger, Armut, Bildung, Umwelt. Sie dürfen sich und ihre Ideen in einer Halle präsentieren, sich ein wenig selbst feiern, perfekt organisierte Staffage für die Politik sein, die sich trotz allem als Star der Veranstaltung versteht. Ein Come Together der leuchtenden Augen junger Menschen und Hände schüttelnder alter Hasen in der Berliner STATION. Arbeitsministerin Nahles erblüht in einem Talk - Forum genannt - in leuchtendem Rot als Verteidigerin der Arbeitnehmerrechte für Gewerkschaften und die ganze Welt. Die neue Million ungewerkschaftlich ausgebeuteter Leiharbeiter aus Deutschland ist eh kein Teil dieser Zukunft in der Charta. Die jungen Menschen werden einen halben Tag bestens unterhalten, mit Spielen, bunten Ständen und Workshops. Alles riecht so schön nach gemeinsamem Ändern, Kämpfen, Helfen. Allein die "Zukunftscharta", um die es eigentlich geht, tut es nicht. Auf 85 Seiten mit vielen "wir wollen", "es ist wichtig", ganz wenig "wir werden" und erst recht nicht "bis zum". Aber das scheint keinen zu interessieren. Die Inhalte sind im Gewühl der Hoffnungsvollen ohnehin nicht das große Thema. Und die Spannung steigt, denn die Charta soll schließlich der leibhaftigen Kanzlerin übergeben werden. Schon eine halbe Stunde vor der Zeremonie drängeln sich die Massen vor dem Eingang zum Saal. Schulklassen, junge Besucher - der Auftritt der Kanzlerin ist das Hauptevent. Der Grund, warum viele überhaupt gekommen sind. Und einige glauben vielleicht wirklich daran, dass Merkel mit ihnen zusammen die Zukunft verbessert. Denn es gibt ja diese Charta. Kurz vor 14 Uhr öffnen sich die Türen zur Halle, in der die Übergabe des mächtigen Papierwerks an Merkel zelebriert werden soll. Der Beginn einer skurrilen Inszenierung. Die Halle ist fast dunkel, die großen Fenster mit schwarzem Stoff verhängt. Diffuses orangenes Licht, fackelgleich orange leuchtet indirekt von Bodenstrahlern an die Wände. Hier wird die Führerin zur deutschen Jugend sprechen. Doch zunächst gibt es Vorprogramm. Moderiert von Dunya Hayali. Am Morgen war sie noch im ZDF zu sehen. Als unabhängige Journalisten erklärte sie die Weltlage. Jetzt verkauft sie ein Projekt der Bundesregierung. Kokettiert damit, vor ein paar Stunden noch Gäste der Veranstaltung im Studio gehabt zu haben. Und die hätten sich so sehr auf die Kanzlerin gefreut. Der Minister erhält das Wort. Etwas unbeholfen, schlaksig, wie ein großer Junge. "Das ist nicht meine, das ist eure, unsere Zukunftscharta!", ruft er in den Saal. Die Zuschauer fühlen sich ernstgenommen und applaudieren. Nicht die dritte, vierte oder fünfte Welt gebe es, nur die eine Welt. Nicht nur einen Weltsicherheitsrat der UNO solle es geben, auch einen Zukunftsrat. Worte, die gut ankommen in der Halle. Dann darf der unvermeidliche Bill Gates eine Videobotschaft sprechen. Es ist kurz vor 15 Uhr. Laut Zeitplan kommt jetzt die Kanzlerin. Die Fotografen tummeln sich unruhig vor der Bühne. Doch es ist noch nicht so weit. Fast entschuldigend bittet die ZDF-Moderatorin Antony Lake, Direktor der UNICEF, auf die Bühne. Der freundliche ältere Herr beschwört den Glauben an die Zukunft, die Macht der Jugend, ihre Zukunft zu bestimmen. Aber Lake hat Pech. Die Veranstaltung ist längst hinter dem Zeitplan. Und draußen hat sie keine Lust mehr zu warten. Die öffentlich-rechtliche Journalistin schneidet ihm deshalb einfach das Wort ab. Man sei spät dran. Es folgt noch eine Lobeshymne. Merkel überzeuge so sehr im persönlichen Gespräch. Dann endlich marschiert sie ein. Schnellen Schrittes durch die Halle, unter dem tosenden Applaus der Masse. Die Fotografen können sie endlich knipsen, als sei es ihr erster Auftritt in Berlin. Der nette schlaksige Minister darf noch einmal das Vorprogramm geben. "Wir werden nicht untergehen, denn wir sitzen alle in einem Boot." Angesichts des Klimawandels ein gewagter Vergleich. In seiner Rede lobt er die Kanzlerin, die sich weltweit so sehr für Klimaschutz und Gerechtigkeit einsetze. Die Gelobte selbst lässt sich derweil von ihrer Assistentin ihre Rede reichen. Überfliegt sie, gähnt. Malt Ausrufezeichen an den Rand. Die Worte zur Zukunft fordern für ein paar Minuten ihre Aufmerksamkeit. Dann steht sie am Rednerpult. Und redet ganz im Sinne der Zukunftscharta. "Wir wollen", "es ist wichtig", "wir müssen in Zukunft darüber reden, dass...". Sagt Sätze, die unwidersprochen in die Halle mit der Fackelbeleuchtung gleiten, denn die, die da sind, hinterfragen heute nicht. "Jeder einzelne auf der Welt hat das Recht auf ein menschenwürdiges Leben", doziert sie. Heute geht es um Näherinnen in Bangladesh, da denkt niemand an Hartz4-Empfänger und verarmte Rentner. "Wir werden uns weltweit über gutes Regieren unterhalten müssen", so weist sie weiter die Weichen für die Zukunft. Die Frau, wegen der der UNICEF-Direktor die Bühne verlassen musste, ist sich sicher, dass deutsches Regieren das Maß der Dinge ist. Und wer ihr genau zuhört kann dann doch heraushören, welche Chance die Ziele der heren Zukunftscharta selbst in ihrer Unbestimmtheit in der Realität der wahren Mächtigen haben. In der letzen Klimakonferenz habe man sich auf Ziele bis 2030 geeinigt. "Ich weiß, dass Sie in der Zukunftscharta höhere Ziele formuliert haben. Wäre ja auch seltsam, wenn nicht." Die Aussage ist klar: Ihre Bemühungen sind nett gemeint. Machbar sind sie nicht. Direkt bei den Kameras vor mir steht eine ältere Frau. Graue Kurzhaarfrisur, Brille, verkniffene Lippen. Mit dem Fuß zieht sie eine Linie an den Stativfüßen. Gleich wird die Kanzlerin wieder durch den Gang zwischen den Stuhlreihen hinauseilen. Die ältere Dame geht ihrem Job nach: Stative müssen um fünf Zentimeter zurückgeschoben werden. Damit die Kanzlerin ungehindert ihren Weg gehen kann. Auf der Bühne ist der Höhepunkt gekommen. Kinder stürmen nach oben, halten Plakate und eine Weltkugel. Der Minister überreicht der Kanzlerin 85 Seiten Papier. Dann singt eine dunkelhäutige Sängerin. Die Show ist vorbei. Draußen frage ich eine junge Inderin, wie sie die Veranstaltung fand. Ihre Augen leuchten. "So etwas müssten viel mehr Länder machen!", ist ihre begeisterte Antwort. Ich fühle mich traurig und einsam. Was denken Sie? Hat die Zukunft eine Zukunft dank der Zukunftscharta?
Die Zukunftscharta lesen So haben es andere erlebt Es scheint ein Routine-Auftrag zu sein: Man kauft ein Auto und möchte sich dafür eine Anhänger-Kupplung für einen Fahrradträger montieren lassen. Routine vielleicht ja, für mich als Kunde zu gebrauchen zumindest bei Renault nicht.
Die Färöer haben wir mit 4-stündiger Verspätung verlassen. Damit sich die Passagiere nicht verletzen, hat der Kapitän der Fähre Nörresta entschieden. Grund: ein heftiges Sturmtief, das da irgendwo auf dem Nordatlantik vor sich hin tobt. Mit der Verzögerung wird alles etwas angenehmer, hat die Crew versprochen. Kurz nach dem Ablegen in Torshavn um 19 Uhr wünscht der Kapitän eine gute Fahrt nach Island, der Abend und die Nacht würden noch "rolling", bei bis zu fünfeinhalb Meter hohen Wellen, nur noch Sturmstärke 5 aus Südwest. Die Fahrt durch die Inseln der Färöer bis zum offenen Mehr ist atemberaubend. Rechts und links vom Schiff erheben sich steile, grüne Bergkegel, teilweise verschwinden ihre Gipfel in den tiefhängenden Wolken, Dörfchen kleben an der Küste, Fischerboote tanzen. Nach zweieinhalb Stunden ist das offene Meer erreicht. Und dann geht es los. Wer Magenprobleme und Seekrankheit ahnt hat sich noch rechtzeitig Reisetabletten und Zäpfchen zugeführt, aber auch die anderen Passagiere wie ich können in den nächsten Stunden an Schlaf nicht denken. Rechtzeitig ins Bett ist die Devise. Notfalls auf allen Vieren in der schmalen Kabine. Der Gang zum Klo ist mit seinen zwei Metern ein unberechenbares Abenteuer. Ich liege ausgestreckt auf meinem Bett auf dem Rücken und erlebe in dieser Position, wie mein Körper um sich selbst kreist. Hoch, rechts, runter, links. Immer und immer wieder. Mal werde ich gegen die Kabinenwand gedrückt, danach stemme ich mich schon wieder dagegen, in der Gegenrichtung aus dem Bett zu fallen. Ein Krankenhausbett mit Gitter wäre jetzt nicht schlecht. Dazu kommen die Geräusche. Wenn der Schiffsrumpf donnernd auf das Wasser schlägt, Wände, Decken, Türen, Schränke ächzen, als ob sie alle gleich zusammenbrechen. Zwischendrin rumpelt etwas verdächtig unter meiner Kabine im Laderaum und ich hoffe, dass sich da nicht gerade ein 30-Tonner nebst Ladung selbständig macht. Irgendwann ergießt sich der Inhalt des Nachttischs über mein Bett, im Bad fällt ein Duschgel zu Boden. Das schien uns der Wikinger wirklich voraus zu haben: keine Getränkedosen auf dem Nachttisch und keine 30-Tonner mit an Bord. Ich probiere, mit den Bewegungen des Schiffes eins zu werden und mich nicht dagegen zu stemmen. Der Versuch endet nach einer Minute auf dem Kabinenboden und scheitert an meinem Unwillen, dort wie eine leere Bierflasche hin und her zu rollen. Die Müdigkeit siegt gegen 2 Uhr für ein paar Minuten. Die Bettdecke habe ich mir inzwischen zu einem Knäuel getrampelt und liege auf ihr, wie ein ungeübter Reiter auf dem Rücken eines durchgehenden Pferdes mit beiden Beinen krampfhaft an ihr Halt suchend. Ein paar Minuten später bin ich durch eine Schulterprellung an der Kabinenwand wieder hellwach. Mit der Zeit überlege ich, wie man jemandem diese Nacht erklärt. Wie im Wasserbett auf Speed? Mit mehreren Überdosen Alkohol und Drogen gleichzeitig? Dauer-Achterbahn-Fahren? Alles zusammen könnte es treffen, was da abgeht auf einem kleinen rollenden Kasten, der einsam im Nordmeer gen Island stampft. Kurz nach 2 starte ich das verhängnisvolle Unternehmen Klo. Irgendwie schaffe ich es, zur Badttür zu kommen, halte mich bei einem neuen starken Seitwärtsrollen des Schiffes instinktiv an der Innenseite des Türrahmens auf der Türseite fest, die Schiffsbewegung schlägt die Tür zu - danach ist nur noch Schmerz, Übelkeit, ein blauer Daumennagel. Es ist mir egal, ob ein Wikinger keinen Schmerz gekannt hätte - ich fluche. Gegen 4 Uhr muss es ruhiger geworden sein. Um 9 gehöre ich zu denen, die beim Frühstück vollkommen übernächtigt breitbeinig mit konzentriertem Gesicht Kaffeetassen vor sich hertragend beim Schub einer Dünung ineinander rennen. Das Schiff ist immer noch "rolling". Wir erfahren, dass die Wellen 7,5 Meter hoch waren. Aber es warten zwei Tage Festland. |
Mathias Piecha
Wortarchitekt Archiv
Oktober 2020
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